Der de Jong-Bericht enthält daher keine Schlussfolgerung, die einer kritischen Überprüfung standhält.
Ich finde es wirklich erschreckend, wie Realitäten hier von den Projektbefürwortern ignoriert werden - aber wie schon Upton Sinclair wusste: "It is difficult to get a man to understand something, when his salary depends upon his not understanding it." Da sind mir ja die Debatten in Wernigerode lieber, die etwa um die anstehenden Baumfällungen geführt werden. Wenigstens ist man hier schon soweit, offen einzuräumen, dass bestimmte Maßnahmen nachteilig für die Umwelt sind, im Sinne der wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Weiterenwicklung aber eben doch durchgeführt werden sollen. Dahinter stecken Trade-Off-Überlegungen, die man zumindest diskutieren kann - während hier nur jeder kritische Aspekt als völlig unbegründet oder übertrieben abgetan wird... Zu den hier vorgebrachten Widerlegungen trotz selbstauferlegter Schreibpause (
schwerer Fall von SIWOTI-Syndrom) noch ein paar Hinweise:
Die Temperaturdiagramme für die Braunlage Ort für die Jahre 2005 bis 2010 zeigen, dass es in jedem Jahr kalt genug für technische Beschneiung gewesen ist.
Dass es in der Vergangenheit in Braunlage für eine technische Beschneiung kalt genug gewesen ist, bestreitet absolut niemand. Angezweifelt wird, ob die erforderlichen klimatischen Bedingungen auch in der Zukunft noch vorherrschen werden. Könnten wir im Harz - wie etwa in den Alpen - bei 0°C beschneien, wäre die künstliche Beschneiung sicher mit weniger Problemen verbunden, da jedoch die höhere Luftfeuchtigkeit zu berücksichtigen ist und zudem - richtigerweise - auf Snow Inducer verzichtet werden soll, braucht es hier schlicht und ergreifend niedrigere Temperaturen. Und die entwickeln sich derzeit nun mal eher in die andere Richtung.
Die von de Jong zur Abschätzung der Folgen der Wasserentnahme angestellten Berechnungen unterliegen einem systematischen Fehler, indem von einer pegelunabhängigen kontinuierlichen Wasserentnahme ausgegangen wird. Die Berechnung ist schon im Ansatz falsch und die aus der Berechnung folgenden Schlussfolgerungen hinfällig.
Hier wird - wie schon in den vorherigen Diskussionen - immer wieder ignoriert, dass die Sorge von Prof. Dr. de Jong der Gesamtbelastung des Wassersystems der Bode galt. Zur Einschätzung dieser Gesamtbelastung gehört aber nun mal dazu, dass (a) auch Wernigerode zukünftig Wasser für die künstliche Beschneiung aus dem Bodesystem entnehmen will und (b) der Wasserbedarf mit steigenden Temperaturen und damit sinkenden Schneetagen zukünftig ebenfalls ansteigen wird. Vor diesem Hintergrund ist es zu Beginn einer Großinvestition sinnvoll zu analysieren, ob denn auch ein über den initialen Wasserbedarf hinausgehender zukünftiger Wasserbedarf über die avisierten Quellen abgedeckt werden könnte. Die derzeit angestrebte Form der Wasserentnahme ist für diese Frage ebenso irrelevant wie die aktuellen Entnahmepegel, da die Pegel dem Bedarf jederzeit angepasst werden können und auch bei der avisierten Bauform der Wehre kleine bauliche Veränderungen ausreichen würden, um mehr Wasser entnehmen zu können. Hier fehlt seitens der Umweltverbände schlicht das Vertrauen in die Harzer Politik, dass zu einem späteren Zeitpunkt beantragte Bedarfsänderungen aufgrund des enormen wirtschaftlichen Drucks, öffentlich mitfinanzierte Anlagen weiterbetreiben zu müssen, nicht einfach anstandslos durchgewunken werden, wie man dies etwa in Frankreich beobachten kann.
Das von de Jong dargelegte Erwärmungsszenario für den Harz geht um ein 10-faches über die pessimistischsten IPCC-Schätzungen hinaus und entspricht nicht dem aktuellen Konsens zum Klimawandel.
Das ist eine völlig haltlose Hypothese, die auf dem hier bereits erläuterten Fehler beruht, prognostizierte Jahresmittelwerte 1:1 auf den für die Beschneiung kritischen Zeitraum umzulegen und dabei zu ignorieren, dass etwa eine Änderung des Jahresmittels um 0,8°C in seinen Auswirkungen auf die Wintermonate die durchschnittlichen 0,8°C locker übertreffen kann. Zum Thema Klimawandel im Harz gab es schon eine ganze Reihe von Untersuchungen, die allesamt zu dem Ergebnis gekommen sind, dass sich aus der klimatischen Entwicklung erhebliche Probleme für den Wintersport ergeben werden:
Der Harz wird sich darauf einstellen müssen, dass die Anzahl der Winter ohne Schnee bzw. mit wenig Schnee zunehmen werden. Dies ist im Hinblick auf die touristischen Leitbilder und auf Investitionen in den Wintertourismus zu berücksichtigen.
-Strategie des Landes Sachsen-Anhalt zur Anpassung an den Klimawandel, Seite 56/57
Der Harz verfügt auf Grund seiner Höhenlage und einer hohen Niederschlagssumme über mehr als 60 natürlichen Schneedeckentage. Während auf den Hochlagen des Harzes rund um den Brocken weiterhin mit guten Schneeverhältnissen zu rechnen ist, erwarten Klimatologen auf Höhen von 800 m NHN lediglich mäßige Wintersportbedingungen, welche sich in den kommenden 20 Jahren fortlaufend verschlechtern werden. Schnee, der heute bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fällt, wird zukünftig selbst bei einer geringen Erwärmung in Regen übergehen.
Der Temperaturanstieg und die damit verbundene Zunahme der winterlichen Niederschläge in flüssiger Form werden das Wintersportpotenzial des Harzes fortwährend negativ beeinflussen. Langfristig gesehen werden sich außerdem die Möglichkeiten der technische Beschneiung hinsichtlich der Temperaturerhöhung zunehmend verringern.
- aus der Diplomarbeit von Katrin Schünke ("Alternativen zum Skitourismus in der Nationalparkregion Harz unter dem Aspekt des Klimawandels") an der HS Harz, verfasst im Jahr 2008, Seite 43
Für den Harz hat der Tourismus eine besondere wirtschaftliche Bedeutung. In dieser Branche ist der Wintersporttourismus besonders vom Klimawandel betroffen – es muss mit einer zurückgehenden Schneesicherheit gerechnet werden, für die langfristig kaum geeignete Anpassungsmaßnahmen bestehen.
- Stellungnahme der Gesellschaft zur Förderung des Nationalparks Harz zum Klimawandel im Harz
Und so weiter, und so fort... Und dann kommt Prof. de Jong und schätzt(!), dass es in den nächsten 10 Jahren zu Problemen mit der künstlichen Beschneiung kommen könnte - und hier wird so getan, als ob diese Bedenken vollkommen abwägig wären und den Einschätzungen anderer Experten, die sich mit dem Klimawandel im Harz befasst haben, vollkommen zuwiderlaufen würden. Die einzige mir bekannte, überhaupt irgendwie optimistische Einschätzung stammt von Prof. Groß von der Uni Leipzig, der zwar auch fest davon ausgeht, dass die klimatische Basis für Wintersport und Kunstschnee im Harz in Zukunft wegbrechen wird, dieser Entwicklung aber immerhin noch bis zu 25 Jahre einräumt. That's it. Dass die Probleme kommen bezweifelt jedoch niemand. Dies wegdiskutieren oder ignorieren zu wollen, bringt die Debatte um das Pro und Contra von Ski-Großprojekten im Harz inhaltlich keinen Milimeter weiter.