Autor Thema: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...  (Gelesen 56405 mal)

playjam

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #30 am: August 22, 2012, 03:58:44 Nachmittag »
Wie man weiß, sind gerade die Wintermonate von Erwärmungstrends stark betroffen.

Mit wieviel Grad müssen die heutigen Wintermonate nach oben korrigiert werden? Kannst Du hierfür bitte eine min und max Gradzahl zum Zeitpunkt 2017 und 2022 sowie einen Beleg liefern.

Zitat von: Sternengucker
habe ich mal bei wetteronline.de nachgeschaut und dort eine Temperaturprognose für Braunlage basierend auf den vergangenen 16 Wintern erstellt: [...]

Dieser Ansatz ist zur Klärung der Frage, ob es genügend und ausreichend lange Zeiträume unter -5°C für eine Erstbeschneiung zum Saisonstart geben wird, nicht geeignet. Indem Du mittelst gehen Dir die Zeitinformationen verloren, die Du für die Prognose brauchst.

Die Temperatur-Diagramme der Braunlager Wetterstation findest Du hier: http://www.braunlager-wetterstation.de/wetter-archiv.html

Zitat von: Sternengucker
Würde sich die Durchschnittstemperatur nun um 1°C verschieben, könnte sich dies im Hinblick auf die mittleren Nacht-Tiefststtemperaturen im November/Dezember jedoch durchaus drastischer als nur mit +1°C auswirken, [...]

Nach IPCC ist mit einer Steigerung der Durchschnittstemperatur um 1°C frühestens 2030 der Fall. Zu spät für den Beleg der de Jong-Aussage, die den Zeitraum 2017 bis 2022 betrifft.

Zitat von: Sternengucker
Ich habe noch immer nicht begriffen, worin eigentlich das Problem bestehen soll. [...] populärwissenschaftliche Ausarbeitung [...]

Im de Jong-Bericht wurde veraltetes und für die Aufgabe nicht adäquates Datenmaterial verwendet. Das Zielpublikum, die Publikationsart und -form kann nicht als Rechtfertigung für unsaubere Arbeit dienen.

Sternengucker

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #31 am: August 22, 2012, 05:43:34 Nachmittag »
@playjam: Ich glaube, wir lassen es an dieser Stelle erst einmal gut sein, bevor ich mich noch zu einer unhöflichen Antwort hinreißen lasse, was ich wirklich nicht möchte. Ich nehme aus der Diskussion mit, dass es Unterstützer des Projektes gibt, die felsenfest davon überzeugt sind, dass der Klimawandel ihnen ihr Skivergnügen auch in den kommenden zehn Jahren nicht kaputtmachen wird und die auch durch die Tatsache, dass es gerade vermeidbare Energieaufwendungen wie etwa die für nächtliches Skifahren auf künstlichem Schnee sind, die eben diesen Klimawandel begünstigen und beschleunigen, nicht abgeschreckt werden. Auch die Überzeugung, dass die Planungen des Investors sowie der Stadtverwaltung so zuverlässig und sicher sind, dass mit zusätzlichen Wasserentnahmen oder anderen Problemen nicht gerechnet werden muss, wird durch die Tatsache, dass im Rahmen der UVP bereits mehrfach nachweisbare Fehlauskünfte erteilt wurden (Termin für den Beginn der Rodungen, finanzielle Beteiligung der Stadt, fehlerhafte Umsetzung der DIN für die Sportstättenbeleuchtung etc.) in keinster Weise erschüttert. Frau de Jong dagegen soll selbst bei Vermutungen, die sich über einen Zeitraum von zehn Jahren erstrecken, idealerweise noch jede Nachkommastelle belegen.

Nun denn.

Da die politische Einsicht, inmitten eines Naturschutzgebietes und angesichts steigender Temperaturen nicht auf künstlich beschneite und beleuchtete Skihänge zu setzen, leider nicht vorhanden ist und die zuständigen Behörden durch konkludentes Agieren wie die vorfristigen Rodungen klar erkennen lassen, dass sie Vorbehalte aus dem Umweltschutz zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung zu ignorieren gewillt sind, kann an diesem Punkt ohnehin nur noch ein Gericht korrigierend eingreifen. Geschieht dies nicht, werden die Pläne ohnehin umgesetzt - und dann werden wir ja in einigen Jahren sehen, wie es um die Menge der Wasserentnahme bestellt ist, wie viele neue Arbeitsplätze in Braunlage tatsächlich entstehen etc. pp. Es sollen doch von mir aus auch in Hahnenklee und am Winterberg noch identische und öffentlich geförderte Angebote eingerichtet werden, damit alle Orte zukünftig um die gleichen Zielgruppen konkurrieren können. Auch hier werden wir erst in einigen Jahren wirklich wissen, welche Kosten damit letztendlich für den Steuerzahler verbunden sind. Der kommunalpolitische rush to judgement ist in diesem Fall zwar mehr als bedrückend, ist vor dem Hintergrund der touristischen Entwicklung in allen drei Orten sowie dem nach wie vor starken Einfluss einiger Unternehmer durchaus nachvollziehbar. Es wird demnach aller Voraussicht nach so kommen, wie es kommen soll. So be it.

Das eigentlich Traurige ist, dass die derzeitigen Pläne sich am Ende nur als Lösung auf Zeit und unter hohen externen Kosten erweisen werden.

Harzwinter

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #32 am: August 22, 2012, 10:22:54 Nachmittag »
Das eigentlich Traurige ist, dass die derzeitigen Pläne sich am Ende nur als Lösung auf Zeit und unter hohen externen Kosten erweisen werden.

@ Lösung auf Zeit: Die Argumentation ist wahrscheinlich nicht neu. In St. Andreasberg am Matthias-Schmidt-Berg wird seit 1972 (oder sogar noch länger) beschneit. Unten das Titelfoto der Zeitschrift "Der Harz",. Ausgabe 02/1972. Damals waren das m.W. die ersten in Deutschland erhältlichen Schneeerzeuger von der Firma Linde. Die alte Zeitschrift geht nicht näher darauf ein, aber ich kann mir gut vorstellen, dass verschiedenste Gruppierungen den Betreibern des Skigebiets schon damals einen Vogel gezeigt haben und sicher waren, dass sich diese Investition in kurzer Zeit als zwecklos und nicht einsetzbar erweisen würde. Ergebnis: Am Matthias-Schmidt-Berg wird bis heute beschneit - seit 40 Jahren, vielleicht mit Unterbrechungen, das weiß ich nicht genau.


Max

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #33 am: August 23, 2012, 07:53:52 Vormittag »
Ich muss ehrlich zugestehen, dass ich die Ausführungen von Playjam sehr schätze und es insgesamt immer befürworte, wenn Veröffentlichungen sachlich ergänzt oder widerlegt werden und meiner Ansicht nach ist hier bisher nichts anderes geschehen, sodass ich auch keinen Anlass dazu erkennen kann, warum Du Dich zu einer unhöflichen Antwort hättest hinreissen lassen können.

Das Hautproblem hast Du doch bereits selber auf den Punkt gebracht und zwar sind den Naturschutzverbänden und auch Dir persönlich im wesentlichen alle Arbeiten, die zur Zeit am Wurmberg geplant sind, ein Dorn im Auge. Bei einem Verzicht auf Rodungen, Beschneiungsanlagen und Flutlicht kann man das Skigebiet im Prinzip auch gleich so lassen, wie es ist, nämlich nicht mehr zeitgemäß.

Der überwiegende Teil der Kosten am Wurmberg wird bekanntermaßen von privaten Investoren geschultert, die mit Sicherheit nichts zu verschenken haben, sodass ich davon ausgehe, dass die Kalkulationen insgesamt bewusst zurückhaltend formuliert wurden. Viel mehr scheint es sowohl hier als auch bei allen anderen Projekten in und um den Harz darum zu gehen diese so lange wie möglich zu verzögern, die Ausmaße prinzipiell einzuschränken oder im besten Fall zu verhindern, denn nicht anders kann ich mir erklären, warum auf der einen Seite damit argumentiert wird, dass mehr in Richtung Sommertourismus getan werden sollte, auf der anderen Seite aber auch reflexartig gegen alle Pläne am Bocksberg gewettert wird.

Fakt ist, dass der Oberharz zur Zeit nicht unbedingt strukturstark ist und dass sich definitiv etwas tun muss und ob es sich dabei tatsächlich nur um eine Lösung auf Zeit handelt und dies mit hohen externen Kosten verbunden ist, wird sich noch zeigen und selbst wenn, so wäre dies das Problem des privaten Investors.

Ich kann insgesamt einfach nicht mehr hören, dass die Sportarten, die wahrscheinlich allen hier sehr viel bedeuten, derart verwerflich sein sollen, vor allem vor dem Hintergrund, dass Schwimmbäder das ganze Jahr über künstlich beheizt werden, dass 2 Tennisspieler auch Abends einen mit Flutlicht beleuchteten Platz für sich allein beanspruchen und dass Golfanlagen überdurchschnittlich häufig bewässert werden müssten. Natürlich kostet Flutlicht und künstliche Beschneiung Energie und Wasser, aber man muss doch die Kirche auch mal im Dorf lassen und nicht permanent aus Prinzip dagegen sein, nur weil man ggf. selber nichts mit dem Thema anfangen kann.

playjam

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #34 am: August 23, 2012, 08:11:06 Vormittag »
@Sternengucker Schade, dass Du diese Diskussion mit so einem Eindruck verlässt. Vielleicht können wir uns zu einem späteren Zeitpunkt über den Bericht austauschen.
« Letzte Änderung: August 23, 2012, 02:58:50 Nachmittag von playjam »

playjam

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #35 am: August 23, 2012, 08:24:11 Vormittag »
[...], dass die Sportarten, die wahrscheinlich allen hier sehr viel bedeuten, derart verwerflich sein sollen, vor allem vor dem Hintergrund, dass Schwimmbäder das ganze Jahr über künstlich beheizt werden, dass 2 Tennisspieler auch Abends einen mit Flutlicht beleuchteten Platz für sich allein beanspruchen und dass Golfanlagen überdurchschnittlich häufig bewässert werden müssten. Natürlich kostet Flutlicht und künstliche Beschneiung Energie und Wasser, [...]

Da hast Du einen weiteren Punkt, den ich ansprechen wollte, vorweggenommen.

de Jong-Bericht, S.7:
Zitat
Die Produktion von Kunstschnee ist mit einem sehr hohen Wasserverbrauch verbunden

Der Wasserverbrauch für technische Beschneiung von durchschnittlich 180 Liter pro Person pro Tag bewegt sich im Mittelfeld. Universitäten, Hallenbäder und Altenheime haben einen ähnlichen Wasserverbrauch. Hotels haben mit 290 Liter pro Person pro Tag einen deutlich höheren Verbrauch. (Vgl. „Studie Wasserverbrauch und Wasserbedarf“, November 2010, Lebensministerium.at)

playjam

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #36 am: August 24, 2012, 02:29:24 Nachmittag »
de Jong-Bericht, S. 4:
Zitat
[...] in den Alpen [konnten] Anfang und Ende des letzten Winters Skipisten erst oberhalb von 2.400 m künstlich beschneit werden [...]

Das größte zusammenhängende Skigebiet Österreichs (Skiwelt Wilder Kaiser) liegt unter 2400m (Tal 620hm, Berg 1829hm). Mit technischer Beschneiung konnte die Wintersaison Winter 2011/12 rechtzeitig zu Weihnachten gesichert werden.

playjam

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #37 am: August 24, 2012, 04:30:07 Nachmittag »
Schlussfolgerungen und vorläufiges Fazit

Der de Jong-Bericht schließt mit drei vorläufigen Schlussfolgerungen  (vgl. , S. 16):

  • Auf dem Wurmberg und dem Winterberg sei es prinzipiell zu warm und zu feucht, um von Anfang bis Ende der Skisaison mit Sicherheit beschneien zu können.
  • Die Bode führe nicht ausreichend Wasser für die geplante technische Beschneiung und es sei fraglich, ob die Wasserentnahme im Falle niedriger Wasserstände gestoppt würde.
  • Die zunehmende Erwärmung beschere dem Harz im Winter zukünftig weniger Schneetage, und weniger Tage, in denen die Temperaturbedingungen für die Produktion von Kunstschnee erfüllt werden.

Die Temperaturdiagramme für die Braunlage Ort für die Jahre 2005 bis 2010 zeigen, dass es in jedem Jahr kalt genug für technische Beschneiung gewesen ist.

Die von de Jong zur Abschätzung der Folgen der Wasserentnahme angestellten Berechnungen unterliegen einem systematischen Fehler, indem von einer pegelunabhängigen kontinuierlichen Wasserentnahme ausgegangen wird. Die Berechnung ist schon im Ansatz falsch und die aus der Berechnung folgenden Schlussfolgerungen hinfällig.

Das von de Jong dargelegte Erwärmungsszenario für den Harz geht um ein 10-faches über die pessimistischsten IPCC-Schätzungen hinaus und entspricht nicht dem aktuellen Konsens zum Klimawandel.

Der de Jong-Bericht enthält daher keine Schlussfolgerung, die einer kritischen Überprüfung standhält.

Da der de Jong-Bericht ungewöhnlich viele Fehler und irreführende Darstellungen enthält, habe ich Frau de Jong angeschrieben, um mir ihre Autorenschaft bestätigen zu lassen.
« Letzte Änderung: August 24, 2012, 06:17:55 Nachmittag von playjam »

Sternengucker

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #38 am: August 27, 2012, 03:19:21 Nachmittag »
Der de Jong-Bericht enthält daher keine Schlussfolgerung, die einer kritischen Überprüfung standhält.

Ich finde es wirklich erschreckend, wie Realitäten hier von den Projektbefürwortern ignoriert werden - aber wie schon Upton Sinclair wusste: "It is difficult to get a man to understand something, when his salary depends upon his not understanding it." Da sind mir ja die Debatten in Wernigerode lieber, die etwa um die anstehenden Baumfällungen geführt werden. Wenigstens ist man hier schon soweit, offen einzuräumen, dass bestimmte Maßnahmen nachteilig für die Umwelt sind, im Sinne der wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Weiterenwicklung aber eben doch durchgeführt werden sollen. Dahinter stecken Trade-Off-Überlegungen, die man zumindest diskutieren kann - während hier nur jeder kritische Aspekt als völlig unbegründet oder übertrieben abgetan wird... Zu den hier vorgebrachten Widerlegungen trotz selbstauferlegter Schreibpause (schwerer Fall von SIWOTI-Syndrom) noch ein paar Hinweise:

Zitat
Die Temperaturdiagramme für die Braunlage Ort für die Jahre 2005 bis 2010 zeigen, dass es in jedem Jahr kalt genug für technische Beschneiung gewesen ist.

Dass es in der Vergangenheit in Braunlage für eine technische Beschneiung kalt genug gewesen ist, bestreitet absolut niemand. Angezweifelt wird, ob die erforderlichen klimatischen Bedingungen auch in der Zukunft noch vorherrschen werden. Könnten wir im Harz - wie etwa in den Alpen - bei 0°C beschneien, wäre die künstliche Beschneiung sicher mit weniger Problemen verbunden, da jedoch die höhere Luftfeuchtigkeit zu berücksichtigen ist und zudem - richtigerweise - auf Snow Inducer verzichtet werden soll, braucht es hier schlicht und ergreifend niedrigere Temperaturen. Und die entwickeln sich derzeit nun mal eher in die andere Richtung.


Zitat
Die von de Jong zur Abschätzung der Folgen der Wasserentnahme angestellten Berechnungen unterliegen einem systematischen Fehler, indem von einer pegelunabhängigen kontinuierlichen Wasserentnahme ausgegangen wird. Die Berechnung ist schon im Ansatz falsch und die aus der Berechnung folgenden Schlussfolgerungen hinfällig.

Hier wird - wie schon in den vorherigen Diskussionen - immer wieder ignoriert, dass die Sorge von Prof. Dr. de Jong der Gesamtbelastung des Wassersystems der Bode galt. Zur Einschätzung dieser Gesamtbelastung gehört aber nun mal dazu, dass (a) auch Wernigerode zukünftig Wasser für die künstliche Beschneiung aus dem Bodesystem entnehmen will und (b) der Wasserbedarf mit steigenden Temperaturen und damit sinkenden Schneetagen zukünftig ebenfalls ansteigen wird. Vor diesem Hintergrund ist es zu Beginn einer Großinvestition sinnvoll zu analysieren, ob denn auch ein über den initialen Wasserbedarf hinausgehender zukünftiger Wasserbedarf über die avisierten Quellen abgedeckt werden könnte. Die derzeit angestrebte Form der Wasserentnahme ist für diese Frage ebenso irrelevant wie die aktuellen Entnahmepegel, da die Pegel dem Bedarf jederzeit angepasst werden können und auch bei der avisierten Bauform der Wehre kleine bauliche Veränderungen ausreichen würden, um mehr Wasser entnehmen zu können. Hier fehlt seitens der Umweltverbände schlicht das Vertrauen in die Harzer Politik, dass zu einem späteren Zeitpunkt beantragte Bedarfsänderungen aufgrund des enormen wirtschaftlichen Drucks, öffentlich mitfinanzierte Anlagen weiterbetreiben zu müssen, nicht einfach anstandslos durchgewunken werden, wie man dies etwa in Frankreich beobachten kann.

Zitat
Das von de Jong dargelegte Erwärmungsszenario für den Harz geht um ein 10-faches über die pessimistischsten IPCC-Schätzungen hinaus und entspricht nicht dem aktuellen Konsens zum Klimawandel.

Das ist eine völlig haltlose Hypothese, die auf dem hier bereits erläuterten Fehler beruht, prognostizierte Jahresmittelwerte 1:1 auf den für die Beschneiung kritischen Zeitraum umzulegen und dabei zu ignorieren, dass etwa eine Änderung des Jahresmittels um 0,8°C in seinen Auswirkungen auf die Wintermonate die durchschnittlichen 0,8°C locker übertreffen kann. Zum Thema Klimawandel im Harz gab es schon eine ganze Reihe von Untersuchungen, die allesamt zu dem Ergebnis gekommen sind, dass sich aus der klimatischen Entwicklung erhebliche Probleme für den Wintersport ergeben werden:

Zitat
Der Harz wird sich darauf einstellen müssen, dass die Anzahl der Winter ohne Schnee bzw. mit wenig Schnee zunehmen werden. Dies ist im Hinblick auf die touristischen Leitbilder und auf Investitionen in den Wintertourismus zu berücksichtigen.

-Strategie des Landes Sachsen-Anhalt zur Anpassung an den Klimawandel, Seite 56/57

Zitat
Der Harz verfügt auf Grund seiner Höhenlage und einer hohen Niederschlagssumme über mehr als 60 natürlichen Schneedeckentage. Während auf den Hochlagen des Harzes rund um den Brocken weiterhin mit guten Schneeverhältnissen zu rechnen ist, erwarten Klimatologen auf Höhen von 800 m NHN lediglich mäßige Wintersportbedingungen, welche sich in den kommenden 20 Jahren fortlaufend verschlechtern werden. Schnee, der heute  bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fällt, wird zukünftig selbst bei einer geringen Erwärmung in Regen übergehen.
Der Temperaturanstieg  und die damit verbundene Zunahme der winterlichen Niederschläge in flüssiger Form werden das Wintersportpotenzial des Harzes fortwährend negativ beeinflussen. Langfristig gesehen werden sich außerdem die Möglichkeiten der technische Beschneiung hinsichtlich der Temperaturerhöhung zunehmend verringern.

- aus der Diplomarbeit von Katrin Schünke ("Alternativen zum Skitourismus in der Nationalparkregion Harz unter dem Aspekt des Klimawandels") an der HS Harz, verfasst im Jahr 2008, Seite 43

Zitat
Für den Harz hat der Tourismus eine besondere wirtschaftliche Bedeutung. In dieser Branche ist der Wintersporttourismus besonders vom Klimawandel betroffen – es muss mit einer zurückgehenden Schneesicherheit gerechnet werden, für die langfristig kaum geeignete Anpassungsmaßnahmen bestehen.

- Stellungnahme der Gesellschaft zur Förderung des Nationalparks Harz zum Klimawandel im Harz

Und so weiter, und so fort... Und dann kommt Prof. de Jong und schätzt(!), dass es in den nächsten 10 Jahren zu Problemen mit der künstlichen Beschneiung kommen könnte - und hier wird so getan, als ob diese Bedenken vollkommen abwägig wären und den Einschätzungen anderer Experten, die sich mit dem Klimawandel im Harz befasst haben, vollkommen zuwiderlaufen würden. Die einzige mir bekannte, überhaupt irgendwie optimistische Einschätzung stammt von Prof. Groß von der Uni Leipzig, der zwar auch fest davon ausgeht, dass die klimatische Basis für Wintersport und Kunstschnee im Harz in Zukunft wegbrechen wird, dieser Entwicklung aber immerhin noch bis zu 25 Jahre einräumt. That's it. Dass die Probleme kommen bezweifelt jedoch niemand. Dies wegdiskutieren oder ignorieren zu wollen, bringt die Debatte um das Pro und Contra von Ski-Großprojekten im Harz inhaltlich keinen Milimeter weiter.

playjam

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #39 am: August 27, 2012, 08:33:40 Nachmittag »
Der de Jong-Bericht enthält daher keine Schlussfolgerung, die einer kritischen Überprüfung standhält.

Ich finde es wirklich erschreckend, wie Realitäten hier von den Projektbefürwortern ignoriert werden [...]

Bitte beachte, die Kritik zum Bericht in diesem Thread stammt von mir und sie gilt dem de Jong-Bericht. Im de Jong-Bericht habe ich Übertreibungen und Fehler gefunden. Da hilft auch keine Diskussion auf der emotionalen Ebene; erwarte von mir bei einer Kritik keine Empathie.

« Letzte Änderung: August 27, 2012, 10:09:05 Nachmittag von playjam »

Sternengucker

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #40 am: August 29, 2012, 05:58:48 Vormittag »
@playjam: Mir geht es doch nicht um "Empathie" (obwohl ja auf Seiten der Projektbefürworter von der "letzten Chance für Braunlage" über die "fröhlichen Urlauber" bis hin zur "historischen Ski-Tradition im Oberharz" mindestens ebenso viel mit emotionalen Bildern gearbeitet wird, wie etwa auf Seiten der Sternenfreunde), sondern vielmehr darum, dass die Kritik am de Jong-Bericht schlicht unzutreffend ist. Wenn beispielsweise festgestellt wird, die von Frau de Jong angeführte Klimaschätzung ginge "um das 10-fache über den wissenschaftlichen Konsens hinaus", dann ist eben diese Feststellung schlicht falsch. Wie ich mit den im vorherigen Post aufgeführten Zitaten aus Studien der Landesregierung sowie aus wissenschaftlichen Arbeiten (und da ließe sich in der Tat noch mehr posten, vielleicht mache ich mir den Spaß mal am Wochenende...) hoffentlich für alle Mitdiskutanten schlüssig belegen konnte, ist es eindeutiger fachlicher Konsens, dass sich die klimatischen Bedingungen im Harz in absehbarer Zukunft klar zu ungunsten des Skisports sowie sogar auch der künstlichen Beschneiung verschieben werden (und nein, damit ist sicher nicht in 50 oder 100 Jahren gemeint, ansonsten ergäbe sich wohl kaum die wiederholte Empfehlung, nicht mehr in derartige Projekte zu investieren...). So zu tun als würde nur Prof. de Jong solches behaupten, während der Fachkonsens gänzlich anders aussehe, bringt die Debatte schlicht nicht voran...

playjam

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #41 am: August 29, 2012, 12:54:37 Nachmittag »
@Sternengucker Deine bisher angeführten Quellen prognostizieren "[...], dass die Anzahl der Winter ohne Schnee bzw. mit wenig Schnee zunehmen werden" (Strategie des Landes Sachsen-Anhalt zur Anpassung an den Klimawandel) und "[...] in den kommenden 20 Jahren fortlaufend verschlechtern [...] Langfristig gesehen werden sich außerdem die Möglichkeiten der technische Beschneiung hinsichtlich der Temperaturerhöhung zunehmend verringern." (Diplomarbeit von Katrin Schünke).

Diese beiden quantitativ unbestimmten Aussagen sind nicht geeignet als Beleg für die sehr exakte Aussage des de Jong-Berichtes -  "in 5 oder 10 Jahren" (S.3) sei es fraglich, ob eine technische Beschneiung zum Saisonstart aufgrund des Temperaturanstiegs möglich sei - zu dienen.

Der IPCC geht in AR4 2007 in der pessimistischen Annahme von einer globalen Erwärmung von rund 0,5°C für das Jahr 2012, rund 0,6°C für das Jahr 2017 und rund 0,8°C für das Jahr 2022 aus:



Die pessimistischste prognostizierte globale Erwärmung relativ zum Jahr 2012 ist also für das Jahr 2017 rund 0,1°C und für das Jahr 2022 rund 0,3°C. Deine Aussage, das "[...] eine Änderung des Jahresmittels um 0,8°C in seinen Auswirkungen auf die Wintermonate die durchschnittlichen 0,8°C locker übertreffen kann [...]" übertrifft die IPCC-Prognose für das Jahr 2017 um das ca. 8-fache und für das Jahr 2022 immer noch um mehr als das 2-fache.

Ich gebe zu, dass meine Aussage, um wie viel der de Jong-Bericht vom Klimakonsens abweicht, lediglich eine Abschätzung ist. Nicht berücksichtigt habe ich, dass der Saisonstart beim Wurmberg ab Höhe Kaffeehorst bzw. Mittelstation stattfindet. Eigentlich müsste ich aufgrund des Höhenunterschieds noch ca. 1,5°C von der Braunlage-Orts-Temperatur abziehen und die Abschätzung würde für den de Jong-Bericht noch negativer ausfallen.

Kannst Du bitte bei Frau de Jong um die verwendeten Quellen für die prognostizierte Temperaturentwicklung am Wurmberg und Winterberg für 2017 bis 2022 nachfragen. Leider habe ich bis heute keine Antwort auf meine Anfrage erhalten.
« Letzte Änderung: August 29, 2012, 12:58:42 Nachmittag von playjam »

Sternengucker

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #42 am: August 29, 2012, 02:00:17 Nachmittag »
@Sternengucker Deine bisher angeführten Quellen prognostizieren "[...], dass die Anzahl der Winter ohne Schnee bzw. mit wenig Schnee zunehmen werden" (Strategie des Landes Sachsen-Anhalt zur Anpassung an den Klimawandel) und "[...] in den kommenden 20 Jahren fortlaufend verschlechtern [...] Langfristig gesehen werden sich außerdem die Möglichkeiten der technische Beschneiung hinsichtlich der Temperaturerhöhung zunehmend verringern." (Diplomarbeit von Katrin Schünke). Diese beiden quantitativ unbestimmten Aussagen sind nicht geeignet als Beleg für die sehr exakte Aussage des de Jong-Berichtes -  "in 5 oder 10 Jahren" (S.3) sei es fraglich, ob eine technische Beschneiung zum Saisonstart aufgrund des Temperaturanstiegs möglich sei - zu dienen.

Beide Aussagen sind jedoch qualitativ mehr als geeignet um zu belegen, dass die Eignung des Harzes als Standort für den Alpin-Ski bzw. für die künstliche Beschneiung vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen auch von gänzlich anderen Experten als "nur" von Prof. de Jong stark bezweifelt wird. Und das war es ja, was hier - unter anderem - angezweifelt wurde. Wenn wir uns in der Tat schon so weit einig wären, dass "die Anzahl der Winter ohne Schnee bzw. mit wenig Schnee zunehmen werden", sich die Bedingungen für den Skitourismus "in den kommenden 20 Jahren fortlaufend verschlechtern" werden und sich die Möglichkeiten der technischen Beschneiung im Harz "zunehmend verringern" werden, wäre ich ja eigentlich schon ganz zufrieden. Bislang hatte ich aber zumindest immer den Eindruck, dass auch diese Umstände von den Befürwortern solcher Projekte (Hahnenklee kommt ja akutell noch dazu) gerne geleugnet wird...

playjam

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #43 am: August 29, 2012, 03:05:05 Nachmittag »
Beide Aussagen sind jedoch qualitativ mehr als geeignet um zu belegen, dass die Eignung des Harzes als Standort für den Alpin-Ski bzw. für die künstliche Beschneiung vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen auch von gänzlich anderen Experten als "nur" von Prof. de Jong stark bezweifelt wird. [...]

Nein.

Das von Dir zitierte Strategiepapier der Arbeitsgruppe "Anpassung an den Klimawandel" aus Sachsen Anhalt basiert ebenfalls auf die von mir zitierten IPCC-Prognose und die DWD-Daten. Die Trendaussagen im Strategiepapier beziehen sich daher auch sehr langfristig auf den Zeitraum 2071 bis 2100 (S.14). Die in dem Strategiepapier aufgeführten gemessenen Werte (S. 12) zeigen, das im Zuge des bereits vollzogenen Klimawandels von 1901 – 2008  der Temperaturanstieg in Sachsen-Anhalt im Winter geringer als im Sommer ist. Das ist ein direkter Widerspruch zum de Jong-Bericht.

Bei der Diplomarbeit ist zu überlegen, in wie weit die Diplomarbeit wissenschaftlich abgesichert ist. Wenn die Aussage im Rahmen der Diplomarbeit nicht selbst erforscht sondern Forschung zitiert wurde, wäre es wichtig die Originalquelle zu kennen, um diese auch bewerten zu können.

Ist die Diplomarbeit irgendwo online? Bisher habe ich nur den Hinweis gefunden, das der Nationalpark Harz diese Arbeit betreut hat.


Sternengucker

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Re: Kritik: Auswirkungen von Klimawandel u. künstl. Beschneiung auf Wurmberg ...
« Antwort #44 am: August 29, 2012, 05:26:45 Nachmittag »
Nein.

Die Aussagen

Zitat
Der Harz wird sich darauf einstellen müssen, dass die Anzahl der Winter ohne Schnee bzw. mit wenig Schnee zunehmen werden. Dies ist im Hinblick auf die touristischen Leitbilder und auf Investitionen in den Wintertourismus zu berücksichtigen.

-Strategie des Landes Sachsen-Anhalt zur Anpassung an den Klimawandel, Seite 56/57

Zitat
Der Harz verfügt auf Grund seiner Höhenlage und einer hohen Niederschlagssumme über mehr als 60 natürlichen Schneedeckentage. Während auf den Hochlagen des Harzes rund um den Brocken weiterhin mit guten Schneeverhältnissen zu rechnen ist, erwarten Klimatologen auf Höhen von 800 m NHN lediglich mäßige Wintersportbedingungen, welche sich in den kommenden 20 Jahren fortlaufend verschlechtern werden. Schnee, der heute  bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fällt, wird zukünftig selbst bei einer geringen Erwärmung in Regen übergehen. Der Temperaturanstieg  und die damit verbundene Zunahme der winterlichen Niederschläge in flüssiger Form werden das Wintersportpotenzial des Harzes fortwährend negativ beeinflussen. Langfristig gesehen werden sich außerdem die Möglichkeiten der technische Beschneiung hinsichtlich der Temperaturerhöhung zunehmend verringern.

- aus der Diplomarbeit von Katrin Schünke ("Alternativen zum Skitourismus in der Nationalparkregion Harz unter dem Aspekt des Klimawandels") an der HS Harz, verfasst im Jahr 2008, Seite 43

sind Deiner Ansicht nach nicht geeignet um zu belegen

Zitat
dass die Eignung des Harzes als Standort für den Alpin-Ski bzw. für die künstliche Beschneiung vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen auch von gänzlich anderen Experten als "nur" von Prof. de Jong stark bezweifelt wird.

??

Ernsthaft? Wie müsste denn eine Aussage formuliert sein, damit sie von Dir als Zweifel an der Eignung des Harzes für den Alpin-Ski bzw. die Kunstbeschneiung aufgefasst wird? Das Strategiepapier des Landes kommt wörtlich zu dem Schluss, dass Beschneiungsanlagen für den Sachsen-Anhaltischen Teil des Harzes aus den vorgenannten Gründen nicht befürwortet werden können. Wie deutlich muss eine negative Einschätzung formuliert sein, um auch als negativ verstanden zu werden?

Übrigens hier mal die für den Brocken prognostizierten Wintermitteltemperaturen (nicht Jahresmittel wie immer von Dir zitiert - großer Unterschied) laut IPCC:



Wie man erkennen kann, liegen die prognostizierten Wintermittel deutlich über dem IPCC-Jahresmittel. Die zentrale Quelle für die von Schünke analysierten Klimaprognosen ist übrigens: SCHNEIDER, C.; SCHÖNBEIN, J. (2006): Klimatologische Analyse der Schneesicherheit und Beschneibarkeit von Wintersportgebieten in deutschen Mittelgebirgen, Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Natursport und Ökologie, Köln.