Da ich zum Sendezeitpunkt leider Ski fahren musste, bin ich erst verspätet dazu gekommen, mir die Doku anzuschauen. Zunächst bin ich ein wenig irritiert, dass man den Fernsehzuschauer nicht im Vorfeld informiert, dass das ganz offensichtlich ein von der Umweltschutzorganisation Mountain Wilderness bezahlter PR-Film ist. Ansonsten stehe ich dem Inhalt gespalten gegenüber. Wie so oft bei diesem Thema polarisiert der Film und geht aus meiner Sicht teilweise von für mich nicht nachvollziehbaren Ansichten aus. Den Hauptakteur hat man mit einem asketisch wirkenden Charakter PR-wirksam gut besetzt.
Gut finde ich, dass mit dem Finger auf den aktuellen Tiroler Ausbau-Gigantismus gezeigt wird. Vollbeschneiung, Industrieanlagen und riesige Speicherteiche auf dem Berg, Lkw-Trassen auf Gletschern, Beschneiung von Gletschern (!), Vorziehen der Skisaison in den November - das finde auch ich unangebracht und gänzlich unethisch. Der Film nennt nicht, dass erst die lasche Tiroler und Österreichische Gesetzgebung und eingespielte Seilschaften von Tourismusindustrie und Politik das ermöglichen. In der Schweiz gibt es das in diesem Ausmaß nicht.
Der Film nennt nicht, dass Beschneiung in vielen anderen Skigebieten bewusst reduzierter eingesetzt wird, nämlich nur zur Sicherstellung des Grundbetriebs, z.B. auf der Hauptabfahrt oder an kritischen Stellen. Der Großteil der Alpenskigebiete hat nicht vor, einen Ausbaustand der Skiindustrie oder Umsatz- und Übernachtungszahlen wie Sölden zu erreichen oder den Sommer- durch reinen Wintertourismus zu ersetzen. Der Film nennt auch nicht, dass andererseits die Beschneiungstechnologie kompletten Regionen erst ermöglicht hat, ihren Winterbetrieb vor dem Absturz zu retten, wie zum Beispiel den unter chronischem Schneemangel leidenden Dolomiten, und dass dort trotz Beschneiung garantiert nicht der eben so wichtige Sommertourismus abgebaut wird.
Der Film suggeriert die Vorstellung, Klima sei normalerweise stabil, die Alpen konstant vergletschert, und hauptsächlich energieintensive Technologien wie Beschneiung bewirkten, dass die Gletscher nun schmelzen. Es wird nicht erwähnt, dass die Alpengletscher u.a. in der Antike und im Mittelalter ganz ohne menschliches Zutun auf Minimalstand abgetaut waren. Das ermöglichte den frühen Feldherren die Alpenüberquerung und den Besiedlern der Alpentäler Weidewirtschaft bis in Höchstregionen. Selbst Hangrutsche und Bergstürze werden von Mountain Wilderness der durch den Menschen erzeugten Klimaerwärmung zugeschrieben. Fragt sich, welche Vorstellung Mountain Wilderness davon hat, wie ein Gebirge wie die Alpen denn sonst über Jahrmillionen abgetragen worden sein soll ...
Dass Mountain Wilderness ausgerechnet das oberbayerische Oberaudorf als gutes Beispiel für den Skigebietsausbau anführt, lässt mich schmunzeln. Das Oberaudorfer Skigebiet Hocheck liegt komplett unterhalb 1000 m und beschneit und beleuchtet auf Teufel komm raus bis hinunter ins Unterinntal auf eine Höhe von nur 500 m (!) - eine Höhenlage, auf der andere oberbayerische Skigebiete längst kapituliert haben.