Die im Bericht von de Jong vorausgesetzte kontinuierliche Wasserentnahme auch bei niedrigem Pegel ist aufgrund des Wehrs physikalisch nicht möglich, der genehmigte Wasserentnahmepegel kann aufgrund von baulichen Maßnahmen nicht unterschritten werden. Auch diese Analyse von de Jong zum vermeintlichen Niedrigwasserzustand basiert auf Mutmaßungen, die für den jetzigen Stand der Planung nicht zutreffend sind.
Das ist in meinen Augen reines Wunschdenken. Schon mit Hilfe einer minimalen baulichen Maßnahme oder durch den Einbau einer zusätzlichen Pumpe kann ein solches Wehr so modifiziert werden, dass eine höhere Wasserentnahme möglich ist. Wie von der Verwaltung mehrfach bestätigt wurde, sind die Aussagen im Bebauungsplan lediglich vorerst bindend und können später auf Antrag jederzeit geändert werden. Nur weil die Bebauungsplanung derzeit also von zwei Befüllungen ausgeht, heißt dies noch nicht, dass es auf Dauer auch bei lediglich zwei Befüllungen bleibt. Allein schon die Tatsache, dass ein gradueller Temperaturanstieg stattfindet, der die Zahl der Schneetage im Harz perspektivisch reduzieren und damit den Beschneiungsbedarf erhöhen wird, sowie der Umstand, dass auch Wernigerode plant, Wasser zu Beschneiungszwecken aus dem Flusssystem der Kalten Bode zu entnehmen, zeigen doch deutlich, dass hier und jetzt bereits darüber diskutiert werden muss, wie man mit höheren Bedarfen umgeht, d.h. ob man in diesem Fall etwa auf eine Mehrentnahme aus der Bode oder die Erschließung anderer Wasserquellen für das Projekt abzielt. Ich kann auch nicht erkennen, was daran verwerflich sein sollte, genau solche Fragen zur Debatte zu stellen. Das Festklammern an den Werten aus dem Bebauungsplan taugt jedenfalls nur bedingt - auch der der Bebauungsplan anhängige Finanzierungsplan wurde ja mithin schon wieder vollständig über den Haufen geworfen...
spektrumdirekt: Wie wirkt sich das konkret auf Europa aus: Müssen wir in den nächsten Jahren wieder mit etwas kälteren Wintern rechnen?
Latif: Unwesentlich. Wir dürfen diese Abkühlung nicht missverstehen. Auch wenn es sich tatsächlich leicht abkühlt – was unser Modell für Europa zeigt –, so liegen wir immer noch im warmen Bereich im Vergleich zu früher. Im Prinzip verharren wir weiterhin auf dem erreichten höheren Temperaturniveau. Wir bekommen also weiterhin eher milde Winter.
Wie man daraus nun den Schluss ziehen kann, es wäre kein kontinuierlicher Erwärmungstrend erkennbar und es ergäben sich daher keine Konsequenzen für den Wintersport, erschließt sich mir nicht. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe des Ministeriums für Landwirtschaft in Magdeburg kam 2010 für den Wintertourismus im Harz beispielsweise zu diesem Ergebnis (nachzulesen in der 2010 durch das Landeskabinett verabschiedeten Strategie des Landes Sachsen-Anhalt zur Anpassung an den Klimawandel):
Der Harz wird sich darauf einstellen müssen, dass die Anzahl der Winter ohne Schnee bzw. mit wenig Schnee zunehmen werden. Dies ist im Hinblick auf die touristischen Leitbilder und auf Investitionen in den Wintertourismus zu berücksichtigen. Die Auswirkungen auf den Sommertourismus werden als überwiegend positiv eingeschätzt, zumal sich die Saisonanteile in den nächsten Jahren verschieben können. Der Harz entwickelt deshalb Themen, welche die zukünftigen klimatischen Bedingungen berücksichtigen. In der Region müssen vermehrt Ganzjahresangebote im Outdoor- und Indoorbereich entwickelt werden, die auch unabhängig vom Schnee attraktiv sind.
Grundsätzlich fände ich es bedauerlich, wenn man zur Rechtfertigung der Sinnhaftigkeit der künstlichen Beschneiung nun darauf ausweichen sollte, auch noch Klimatrends zu leugnen, bezüglich derer ein internationaler Konsens besteht.
Bislang hat sich aus dem de Jong-Report zum Thema Beschneiung im Harz leider so gut wie NICHTS als eindeutig haltbar erwiesen. Für alle aufgestellten Behauptungen findet sich mit wenig Aufwand eine Gegendarstellung. Und da sind wir dann wieder bei der Ausgangssituation, dass Frau de Jongs Untersuchungsergebnisse zum Thema Beschneiung in Hochsavoyen gut, richtig, wichtig und alarmierend sind, dass sie sich damit aber keinesfalls 1:1 auf jedes andere Skigebiet übertragen lassen.
Es ist Wunschdenken, allein auf Basis der Temperaturdaten von zwei weiteren Jahren sowie der bereits x-fach geänderten Werte im aktuellen Bebauungsplan zu meinen, sämtliche Hinweise von Frau de Jong verwerfen zu können. Ihre Ergebnisse stammen übrigens nicht nur aus französischen, sondern auch aus österreichischen, schweizerischen und sogar indischen und türkischen Skigebieten und -projekten. Vor der Annahme, dass bestimmte Probleme in all diesen Gegenden - nur nicht in Mitteldeutschland bzw. im Harz - auftreten würden, kann ich an dieser Stelle nur warnen: Frau de Jong erlebt ähnliche Diskussionen fast überall, wo sie über die Umweltrisiken von Beschneiungsanlagen referiert: Ja, diese Probleme gibt es, und sie treten in x, y und z auch genau so wie beschrieben auf.
Nur bei uns wird es aufgrund der klimatischen Bedingungen/der begrenzten Größe des Projektes/der hohen Güte unserer Planung etc. pp. ganz anders laufen.
Vernünftige Forschungsarbeit basiert nicht auf der Analyse weniger Extrembeispiele, sondern erhebt ihre Daten aus systematisch gewählten, repräsentativen Stichproben aus einer Grundgesamtheit. Für Repräsentativität müsste ein Beschneiungsreport auf der Untersuchung der technischen Gegebenheiten von geschätzt 200 Alpenskigebieten aus allen Alpenländern plus 50 Mittelgebirgsskigebieten aufsetzen. Ist das hier der Fall?
Na dann. Wer zahlt? Sie? Die öffentliche Hand, die ja für Skiprojekte einiges übrig zu haben scheint? Die Investoren, die mit entsprechenden Projekten ihr Geld verdienen wollen? Oder wäre diese Analyse rein ehrenamtlich zu erarbeiten? Warum wird eine so umfangreiche Untersuchung, wie sie hier gefordert wird, nicht zur Voraussetzung für die Baugenehmigung gemacht?
Sie schreibt, anhand einer ebenso willkürlich gewählten Grafik (ich weiss nicht, wie man diese grafik hier ins Netz stellen kann), dass durch die Beschneiung sich die Anzahl der Betriebstage nur von 60-80 Tage in Winterberg erhöht hat. Durch eine geschickt Wahl des Berertungszeitraumes kann man diesen Eindruck erwecken. Es entspricht jedoch nicht den Tatsachen.
Die Grafik stammt direkt aus den uns zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen und wurde ohne Modifikationen übernommen, eingefügt wurde lediglich eine Mittelwertslinie. Auch der wiedergegebene Zeitraum entspricht dem in den Planungsunterlagen gewählten Zeitraum.