Autor Thema: Schierke 2000  (Gelesen 1367163 mal)

Harzwinter

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Re: Schierke 2000
« Antwort #225 am: Juli 30, 2012, 02:58:21 Nachmittag »
Finanziert von den einschlägigen Umweltschutzorganisationen wird eine neue Runde der Polemisierung gegen die Wintersportprojekte an Wurmberg und Winterberg eingeläutet. Die Volksstimme berichtet:

Zitat

"Diese Schneelüge gibt's überall auf der Welt"

Kritik an den Planungen für die Wintersportprojekte auf dem Wurm- und dem Winterberg äußert Carmen de Jong. Die Wissenschaftlerin gilt als Expertin für Skitourismus und ausgewiesene Kritikerin von Kunstschneeproduktion in den Gebirgen.

Wernigerode/Braunlage l Kann Kunstschnee den geplanten Skigebieten von Braunlage und Schierke dazu verhelfen, dieses Tourismusangebot wirtschaftlich zu betreiben?

Die Expertin redet im Volksstimme-Gespräch nicht lang um den heißen Brei herum, Carmen de Jong sagt: "Es ist ein Alptraum für uns Wissenschaftler, dass hier im Harz ein alpines Winterangebot erzwungen werden soll." De Jong, Professorin für Geographie, gilt weltweit als Expertin für Skitourismus und leidenschaftliche Kritikerin von Kunstschnee. Das hat sie bereits ihre Stelle als Wissenschaftliche Leiterin des Hochgebirgs-Instituts an der französischen Universität von Savoyen gekostet.

Sie warnt angesichts des Klimawandels vor den ökologischen wie ökonomischen Folgen der ständig wachsenden Kunstschneeproduktion. In den Alpen habe sich von 2005 bis 2011 die mit Kunstschnee bedeckte Fläche verdoppelt, der extreme Wasserbedarf dafür sorge bereits für Wassermangel in einigen Alpentälern, haben ihre Forschungen gezeigt.

Eingeladen von Christian Reinboth (Wernigerode) und Friedhart Knolle (Goslar) hat sich de Jong drei Tage lang in Braunlage und Schierke mit den Wintersportprojekten vertraut gemacht. Der Harz weise im Winter Temperaturen von 7Grad über dem Mittel der Alpen auf, dazu die geringe Gebirgshöhe und relativ hohe Luftfeuchte, das stelle besondere klimatische Herausforderungen an die Kunstschneeproduktion dar. Ihrer Einschätzung nach koste der Unterhalt des erweiterten Wurmberg-Skigebietes pro Saison rund eine Million Euro. Ob dieser Aufwand allein über Skipass-Verkäufe refinanziert werden könne - bei weiter steigenden Strom- und Wasserkosten - sei mehr als fraglich.

Genauso gibt Carmen de Jong zu bedenken, dass der Klimawandel unmittelbare Auswirkungen auf das Minimum an sogenannten Schneetagen habe. 120, mindestens aber 100Tage müsse das alpine Wintersportangebot nutzbar sein, um es wirtschaftlich betreiben zu können. Der Blick ins Sauerland zeige, dort sei mit Hilfe von Schneekanonen die Zahl der Schneetage von zuvor60 auf maximal 80Tage erhöht worden. De Jong: "Das ist noch deutlich von den wirtschaftlich notwendigen 100Tagen entfernt."

Auch im Harz, so ihre Einschätzung, werden Speicherbecken und die Wasserentnahme aus der Bode langfristige negative Folgen haben: "Alpiner Wintersport hat im Harz keine Zukunft. Er ist auch keine Ergänzung, sondern wird langfristig den Sommertourismus vernichten."

Der Schweizer Ort Davos erziele 60Prozent seiner Tourismuseinnahmen im Winterhalbjahr, ihrer Einschätzung nach werde sich das Sommer-Winterverhältnis auf 50zu50 verändern. De Jong: "Der Sommertourismus gibt nicht soviel Profit, dafür sind auch weniger hohe Investitionen als für den Winter notwendig."

Apropos Investitionen: Rund 16Millionen Euro sollen am Wurmberg, mindestens 30Millionen Euro in die Schierker Projekte investiert werden - ein enormer Druck auf die Wintersport-Industrie, ist sich die Wissenschaftlerin sicher. Ob auch dann wegen zu geringen Wasserpegels in der Bode auf den Betrieb von Schneekanonen verzichtet werde, wenn bis zu 10000Skifahrer an einem Tag "vor den Pisten stehen"? Nicht nur de Jong plagen in dieser Frage Zweifel, auch Christian Reinboth fürchtet, dass wirtschaftliche Interessen gegenüber ökologischen Belangen obsiegen werden.

Im Harz hat die Tourismusexpertin mehrfach gehört, Hotel-Investoren würden ihr Engagement in Schierke von Wintersportangeboten abhängig machen. Carmen de Jong: "Diese Schneelüge gibt es überall auf der Welt."

© Volksstimme 30. Juli 2012
URL: http://www.volksstimme.de/nachrichten/lokal/wernigerode/903737_Diese-Schneeluege-gibts-ueberall-auf-der-Welt.html


Prominente Gegner von Kunstschneeerzeugung zu Wort kommen zu lassen ist Teil der sachlichen Diskussion und Auseinandersetzung rund um die Wintersportprojekte an Wurmberg und Winterberg.

Zitat
In den Alpen habe sich von 2005 bis 2011 die mit Kunstschnee bedeckte Fläche verdoppelt ...

In den Alpen hat - z.B. in Österreich - die Kunstschneeerzeugung auch für mich z.T. das Maß der Dinge verloren. Bevor ich als Skifahrer an Schneiteichen auf 2.200 Metern Höhe oder an ganzen Schneilanzenwäldern vorbeifahren muss, zerkratze ich mir lieber den Belag oder fahre gar nicht. Das mahnt, bei neuen Beschneiungsprojekten zielgenau und verantwortungsbewusst umzugehen.

Zitat
... der extreme Wasserbedarf dafür sorge bereits für Wassermangel in einigen Alpentälern, haben ihre Forschungen gezeigt.

In inneralpinen Lagen gibt es in der Tat niederschlagsarme Regionen, in denen Beschneiung zu Wassermangel in Fließgewässern führt, kein Zweifel. Beispiel: Schweizer Saastal mit ca. 600mm pro Jahr, Dolomiten (ohne dass mir hierzu exakte Messwerte vorliegen). Hier darf man aber nicht Äpfel mit Birnen vergleichen: Im Harz als Niederschlagsfänger besteht ein solches Risiko wohl kaum. Die Kalte und die Warme Bode, aus denen Wasser für Beschneiung entnommen werden soll, entspringen in den immerfeuchten Moorgebieten zwischen Achtermann, Brocken und Wurmberg mit Jahresniederschlagsmengen um 1400 mm pro Jahr. Also: Leider daneben gegriffen.

Zitat
120, mindestens aber 100Tage müsse das alpine Wintersportangebot nutzbar sein, um es wirtschaftlich betreiben zu können. Der Blick ins Sauerland zeige, dort sei mit Hilfe von Schneekanonen die Zahl der Schneetage von zuvor60 auf maximal 80Tage erhöht worden. De Jong: "Das ist noch deutlich von den wirtschaftlich notwendigen 100Tagen entfernt."

Wirtschaftlichkeit von Beschneiung darf man nicht an einer absoluten Betriebstagezahl festmachen. Entscheidend ist letztlich die Summe der Einnahmen für den jeweiligen Wirtschaftsraum - nicht nur aus Skipassverkauf, sondern auch aus Übernachtungen, Gastronomie, sonstiger Dienstleistung und Einzelhandel. Hier ausgerechnet das Sauerland anzuführen, wo der Ausbau der wintersportlichen Infrastruktur zu einem touristischen Boom über die Erwartungen hinaus geführt hat, zeugt schlicht von mangelnder Vorbereitung. Also: Leider daneben gegriffen.

Zitat
Der Schweizer Ort Davos erziele 60Prozent seiner Tourismuseinnahmen im Winterhalbjahr, ihrer Einschätzung nach werde sich das Sommer-Winterverhältnis auf 50zu50 verändern. De Jong: "Der Sommertourismus gibt nicht soviel Profit, dafür sind auch weniger hohe Investitionen als für den Winter notwendig."

Davos ist kein normaler Wintersportort, sondern mit seinen 11.500 Einwohnern die höchstgelegene Stadt Europas. Davos verfügt im Gegensatz zu "normalen" Wintersportorten über das Standbein des ganzjährigen Konferenztourismus (Beispiel Weltwirtschaftsforum), der in der höchstpreisigen Kategorie spielt und zusätzlich zum Erholungstourismus Geld in die Kassen spült. Aus diesem Grund leistet sich Davos schon seit ca. 10 Jahren zum Ärger der Skisportler, trotz idealer Voraussetzungen sein Wintersportangebot nachrangig zu behandeln. Insofern ist Davos, das zudem gerade verspätet beginnt, an Parsenn und Jakobshorn die Beschneiung massiv auszubauen, ein ungeeigneter Vergleich. Einen Vergleich zu Harzer Wintersportorten sollte man aus dem Mittelgebirgsbereich wählen. Und da sind wir dann wieder bei der Frage, ob jemand auch nur einen einzigen Mittelgebirgs-Wintersportort nennen kann, bei dem Investitionen in Ski-Infrastruktur und Beschneiung negative wirtschaftliche Folgen hatten. Also: Leider daneben gegriffen.

[Edit:] Pistenplan Davos/Klosters von 2011 hier. Man sieht, dass bereits erfolgreich daran gearbeitet wurde, alle Hauptabfahrten zu beschneien. Weitere Beschneiungsvorhaben sind in Vorbereitung, außerdem der Ersatz veralteter Liftanlagen in den Gebieten Parsenn, Klosters/Madrisa und Rinerhorn (Quelle: www.alpinforum..com). Nach einem geplanten Zurückfahren des Wintertourismus sieht das nun wirklich nicht aus. Mir ist rätselhaft, warum selbiges von Frau De Jong behauptet wird.

Zitat
[...] Nicht nur de Jong plagen in dieser Frage Zweifel, auch Christian Reinboth fürchtet, dass wirtschaftliche Interessen gegenüber ökologischen Belangen obsiegen werden.

Beide Interessen stehen bei allen Infrastrukturellen Investitionsentscheidungen im Dauerkonflikt. Im Harz ist es halt neu, dass erstmals seit den 1970er Jahren im touristischen Bereich wieder wirtschaftliche Interessen durchgesetzt werden sollen. Diese Veränderung zu verstehen, fällt so manchem schwer. Dabei werden ökologische Belange am Wurmberg und Winterberg im Gegensatz zu den 1970er Jahren massiv berücksichtigt.

Zitat
[...] Hotel-Investoren würden ihr Engagement in Schierke von Wintersportangeboten abhängig machen. Carmen de Jong: "Diese Schneelüge gibt es überall auf der Welt."

Dumm nur, wenn sich die angebliche "Lüge" auch noch mit Zahlen klar bestätigen lässt - Beispiel: Investitionen im Sauerland. Also: Leider daneben gegriffen. -

Fazit: Experten jeglicher Couleur in die Diskussion rund um die Harzer Wintersportprojekte einzuschalten, begrüße ich ausdrücklich. Wer hier durch selektive Übernahme punktueller, sachlich ungeeigneter Statements lediglich erneut zu polarisieren und zu polemisieren versucht, weil eigene Argumente fehlen, wird sich damit das nächste Eigentor in Sachen öffentliche Akzeptanz schießen.
« Letzte Änderung: August 01, 2012, 03:45:19 Nachmittag von Harzwinter »

Harzwinter

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Re: Schierke 2000
« Antwort #226 am: Juli 30, 2012, 05:36:50 Nachmittag »
Hier noch zwei lesenswerte Interviews bzw. Reports zu Carmen De Jong, ihren Forschungsergebnissen und ihrer Zeit als wissenschaftliche Leiterin an der Universität von Chambery/Annecy.

http://www.woz.ch/1114/wasserknappheit-in-den-alpen/dieses-wettruesten-ist-ein-irrsinn
http://www.alpenmagazin.org/index.php?option=com_content&view=article&id=566:man-will-mich-mundtot-machen

Wie gesagt: Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass das Geschilderte auf Teilregionen der Alpen zutrifft und dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios mit der völligen Überdimensionierung von Beschneiung steigt. Aber was im Harz geplant oder überhaupt nur planbar ist, ist weit von den geschilderten Dimensionen entfernt. Argumente gegen Wintersport-Investitionen an Wurmberg und Winterberg müssen zum Harz oder zumindest zum Mittelgebirge passen und können nicht einfach 1:1 von übererschlossenen Alpendestinationen übernommen werden. Im Harz liegen völlig andere Verhältnisse zu Niederschlagsmengen, Hanglängen und diskutierter Beschneiungsfläche vor als in Hochsavoyen. Und: Alpinski-Wildwest analog Hochsavoyen hat es im Harz nie gegeben und wird es auch nicht geben.

Der Davos-Vergleich aus dem Volksstimme-Artikel ist übrigens von 2008. Den hätten die Auftraggeber der Pressemitteilung besser nicht ungeprüft übernehmen sollen.
« Letzte Änderung: Juli 30, 2012, 05:50:47 Nachmittag von Harzwinter »

manitou

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Re: Schierke 2000
« Antwort #227 am: Juli 31, 2012, 08:56:31 Vormittag »
Interessant, das die Anti-Beschneiungsfundamentalistin de Jong Ihren wissenschaftlichen Job in F verloren hat, denn gerade in F besteht ja in Sachen "Alpenverwüstung" das andere Extrem. Da prallen offensichtlich die "Fundi-Pole" zusammen. So rücksichtslos wie in F wird/wurde nirgends in touristische Retortenprojekte im Alpenraum investiert. In Sachen Umweltbewusstssein sind unsere Nachbarn ja bekanntlich noch weit hinter deutschem Standard, siehe auch Atomkraft, Müllentsorgung...etc. 

Damit will ich die Dame nicht verteidigen, obwohl auch ich Ihrer Kritik im Alpenraum teilweise zustimme. Ihre Argumentation wird der Thematik im Harz sachlich nicht gerecht, doch das ist ja auch nicht Absicht der Umweltschützer. De Jong versucht u.a. die vergleichenden Erfolge im Sauerland kleinzureden, wogegen sich jeder Touristiker im Sauerland wehren würde. Das Sauerland hat nicht nur auf durchschn. 80 Tage gesteigert (diese Zahl entspricht eher der Summe aller Skigebiete). Seit 2006 sind die durchschn. Betriebstage der beschneiten Skigebiete im Sauerland >90 Tage. Seit 2008 liegt der Schnitt sogar >100 Tage. Es gab seit Beschneiung nur den viel zu warmen Winter 2007/2008, wo die Betriebstage <80 gewesen sind (2007/08 waren es 65 Tage). Sogar im schwierigen vergangenem Winter waren die Winterberger mit der Saison wirtschaftlich zufrieden und investieren fleissig weiter ins Skigebiet. 

Auch stimmt die Behauptung der Dame nicht, dass ein Skigebietsausbau 100 Bettriebstage brauche, um sich zu rechnen, wobei das speziell in Schierke stimmen kann, da es sich um eine Neuerschließung und keinen Ausbau handelt. 
I.d.R. braucht der Beschneiungsausbau 60-70 Betriebstage für die Wirtschaftlichkeit. Setzt man die ca. 30 Betriebstage ohne Beschneiung dagegen, so entsteht bereits durch die +35 Tage eine gewaltige zusätzliche touristische Wertschöpfung für Hotellerie, Gastronomie und Handel. Würde man dies volkswirtschaftlich genau analysieren, dann amortisiert sich die Beschneiung vermutlich bereits für die Region bei ca. 50 Tagen - wenn auch nicht für den Skigebietsbetreiber. Aber dafür bekommt er ja seine Investitionszuschüsse... Volkswirtschaftlich gesehen rechtfertigt sich somit auch die Neuerschließung in Schierke - und jene würde sich deutlich besser rechnen, wenn die Umweltschützer und der NP nicht so enorme Knüppel in den Weg schmeissen würden (Nordhang und gr. Winterberg). Die Umweltschützer schaffen also erst die wirtscchaftlichen Schwierigkeiten, wo hingegen der technisierte Wintersport heute in D einen so hohen Umweltstandard hat wie sonst nirgendwo in Europa. Umweltschützer vergessen gern, dass global betrachtet nur dort in den Umweltschutz investiert wird bzw. werden kann, wo gesunde Wirtschaftssysteme existieren. Umwelt und Industriegesellschaft sind also gegenseitig voneinander abhängig, es sei denn wir wollen wieder ein Ackerbaugesellschaft wie vor 4000 Jahren werden. Der Druck auf Industrie durch Umweltschützer war und ist richtig, doch Umweltschützer wissen oftmals nicht die Balance abzuwägen, was hier im Harz m.E. der Fall ist.
Die Dame redet also wirtschaftlichen und auch umwelttechnischen Blödsinn!

Auch ich bin ein Beispiel gegen die von De Jong behauptete "Investitionslüge". Ich habe in Willingen erst nach dem Skigebietsausbau investiert, weil es mir +30 sichere Vermietungstage im Winter bringt. Willingen hatte vor der Beschneiung im Schnitt 28 Betriebstage, In Winterberg wurden allein letztes Jahr 40 Millionen € in Hotelanlagen investiert. Landal hat die direkte Skigebietsanbindung als zwingendes Investitionskriterium definiert. Dieses Jahr werden dort 25 Mio€ ins Skigebiet investiert. 3 neue KSB, vier neue Pisten incl. Beschneiung und Bundesstraßenquerung mittels Brückenbau.

Auch ich stimme Harzwinter zu, dass im Alpenraum oftmals völlig überzogene Projekte durchgezogen werden, da die sich gegenseitig mit Superlativen zu übertrumpfen versuchen und mittlerweile einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb unter den Destinationen führen. Im Harz geht es hingegen um die touristische Grundsicherung des Wintersports - und davon profitieren alle Destinationen im Harz.

Harzwinter hat die unsachlichen Vergleiche der Dame gut entlarvt. Schade nur, dass wir keine Gelegenheit haben, vor den Medien die Polemik der Dame kritisch zu hinterfragen. So entsteht für viele Sachunkundige ein verzerrtes Bild...


playjam

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Re: Schierke 2000
« Antwort #228 am: Juli 31, 2012, 09:43:07 Vormittag »
Goslarsche 30.7.2012, Ina Seltmann, S.25:
Zitat
Professorin packt komplexes Problem-Paket aus
Auswirkungen von künstlicher Beschneiung an Wurm- und Winterberg untersucht - Viele Interessenten aus Wernigerode und Schierke

ST. ANDREASBERG. Ein geballtes und komplexes Problem-Paket packte Carmen de Jong am Freitag im Kurhaus St. Andreasberg aus. Die Professorin, die sich seit zehn Jahren mit den Auswirkungen von künstlicher Beschneiung auf den Wasserhaushalt beschäftigt, hatte drei Tage lang die Region um Winter- und Wurmberg bei Schierke und Braunlage besucht.

Ehrenamtlich hatte de Jong auf Einladung von Christian Reinboth und Dr. Friedhard Knolle die hydrologischen Untersuchungen in den beiden Gebieten vorgenommen, in denen große Wintersport-Projekte mit künstlicher Beschneiung geplant sind. Das Wasser dazu soll aus Warmer und Kalter Bode entnommen werden. Die beiden Organisatoren wollen dazu beitragen, dass die Projekte gemeinsam betrachtet werden und eine gemeinsame Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen wird.

Bisher plane jeder für sich, so Knolle im Vorfeld der Veranstaltung. "Keiner macht sich die Mühe, die Auswirkungen zu untersuchen, die die Wasserentnahme auf die Bode und das Grundwasser hat", so Reinboth. Der Konferenzraum im Kurhaus war voll. Die Besucher stammten fast ausschließlich aus der Politik und Verwaltung Schierkes und Wernigerodes, darunter Wernigerodes stellvertretender Bürgermeister, der Bauamtsleiter und die Kulturausschuss-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Angela Gorr. Auch Mitglieder von Umweltverbänden aus dem Landkreis Goslar, Interessierte aus St. Andreasberg und die Grünen-Kreistagsabgeordnete Cornelia Grote-Bichoel waren dabei. Gäste aus Braunlage waren nicht gekommen. Dabei hätten die Ergebnisse, die de Jong vorstellte, die Bürger interessieren können, die am Fuße des Wurmbergs leben.

Braunlages Bürgermeister Stefan Grote sowie Wernigerodes Bauamtsleiter und der Gewässerschutzverein Wernigerode hatten die Professorin während ihrer Untersuchungen über die Planungen in beiden Orten informiert. Die öffentlich zugänglichen Unterlagen hatte sie zuvor in den vergangenen Wochen studiert.

Um den Zuhörern überhaupt einen Begriff zu geben, worum es geht, stellte de Jong, die seit 2006 am Gebirgszentrum der Universität Savoyen in Frankreich forscht und zuvor an Einrichtungen in Straßburg, Bonn, Berlin und Potsdam tätig war, Bilder und Ergebnisse aus den Alpen vor, wobei sie ähnliche Höhen wie im Harz wählte.

Der Klimawandel beschere den Bergen eine höhere Temperatur als dem Flachland, führte de Jong aus. Die Temperaturen würden zudem im Winter mehr steigen als im Sommer. Die Saison verkürze sich, beginne später und ende früher. "Die Prognose: Wir haben kleine Zeitfenster für künstliche Beschneiung."

Die Pisten, auf denen beschneit würde, könnten sich im Sommer nicht erholen. Als Beispiel zeigte sie Fotos von erodierten Flächen in den Alpen. Ebenso verliere der Boden an Durchlässigkeit dort, wo Wasser-Speicherbecken angelegt würden. "Will man das Sommertourismus-Potential aufgeben, um solche Flächen zu bekommen?", fragte sie.

Künstliche Beschneiung sei abhängig von Temperaturen, Luftfeuchte und Windverhältnissen. Das Klima im Harz sei ungeeignet für Kunstschnee, es sei zu feucht. Unter 1500 Metern werde in den Alpen zwar beschneit, doch neue Anlagen würden nicht mehr gebaut, betonte sie. Im Winter gebe es genug Wasser zum Beschneien, problematisch werde es immer am Beginn und am Ende der kalten Jahreszeit. Bei der Entnahme aus Flüssen sei man schnell am Limit. Quellen könnten austrocknen, die Wasserqualität in den Speicherbecken sei schlecht. Und diese Flüssigkeit fließe nach der Schmelze des Kunstschnees in das Grundwasser.

Ebenso sachlich wie der Vortrag war die anschließende Diskussion, die sich vor allem um die Situation in Schierke drehte. "Wir wollen dieses Untersuchungs-Ergebnis kommunizieren", kündigte Knolle an.

playjam

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Re: Schierke 2000
« Antwort #229 am: Juli 31, 2012, 10:07:17 Vormittag »
Harzwinter hat die unsachlichen Vergleiche der Dame gut entlarvt. Schade nur, dass wir keine Gelegenheit haben, vor den Medien die Polemik der Dame kritisch zu hinterfragen. So entsteht für viele Sachunkundige ein verzerrtes Bild...

Es wundert mich ehrlich gesagt, wieso de Jong sich zu solchen leicht zu widerlegenden Behauptungen hinreißen lässt, z.B.  "Unter 1500 Metern werde in den Alpen zwar beschneit, doch neue Anlagen würden nicht mehr gebaut, betonte sie. ". Wenn de Jong bereits an so einfach zu recherchierenden Sachverhalten irrt, ist nicht abzuschätzen, wie groß ihr Versagen bei komplexen Themen ist.

Bei Interesse könnte man da sicherlich wieder gemeinsam tätig werden... genügend faktisch falsche Behauptungen für eine Gegendarstellung hat Frau de Jong in der Volksstimme und der Goslarsche Zeitung geliefert.


Max

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Re: Schierke 2000
« Antwort #230 am: Juli 31, 2012, 10:56:24 Vormittag »
Auch ich war durchaus erstaunt, als ich den Bericht in der Volksstimme vor einigen Tagen gelesen habe, wobei man die Art und Weise, wie nun versucht wird mit teils doch sehr wagen Behauptungen Stimmung zu machen, inzwischen fast schon gewohnt ist, was die Umweltschutzverbände betrifft.

Natürlich kann man den Harz genau wie die meisten anderen Mittelgebirge nicht mit den Alpen vergleichen und schon gar nicht mit Skiregionen in Frankreich. Auch einige der anderen Behauptungen gehen ein wenig an der Wahrheit vorbei und wurden offensichtlich lediglich angeführt, um die Projekte an sich zu kritisieren bzw. die öffentliche Meinung dahingehend zu verändern, dass weitere Unterstützung ausbleibt.

Es ist allerdings tatsächlich so, dass Natur- und Umweltschutz wie er bei uns in Deutschland gegeben ist nur möglich ist, wenn die Wirtschaft einer Region gesund genug ist um die finanziellen Einschnitte, die damit verbunden sind, auch tragen zu können bzw. diese in Kauf nimmt.

Um es etwas deutlicher zu machen: Mir geht diese reine Protesthaltung der Umweltschützer nicht nur hinsichtlich einiger Wintersportprojekte ziemlich auf den Geist. Der Naturschutz wird nicht selten schlicht als Vorwand verwendet, um komplett andere Interessen durchzusetzen. Herr Reinboth beispielsweise — der Frau de Jong hinzugezogen hat — kämpft bekanntermaßen dafür, dass es keinen Nachtskilauf geben sollte, damit er von St. Andreasberg aus auch weiterhin ohne Lichtverschmutzung jeden Abend die Sterne beobachten kann. Aus dem Ostharz hingegen gibt es nicht selten ähnliche Bedenken, um den Ausbau des Wurmbergs zumindest so lange zu verzögern, bis man selber eine Lösung gefunden hat ein eigenes Skigebiet mittels Fördergelder zu realisieren und alle haben gemeinsam, dass niemand von ihnen direkt im Oberharz lebt, geschweige denn sich ein Bild von der strukturellen Lage gemacht hat.

Wenn man in Berlin, Wernigerode oder sonst wo wohnt, ist es einfach seine ideologischen Ansichten zu vertreten und konsequent gegen jeglichen Fortschritt zu sein, um die Umwelt nicht unnötig zu belasten. Das Augenmaß und ein gewisser Sinn für die tatsächliche Situation scheint dabei jedoch häufig vollkommen abhanden gekommen zu sein.

Harzwinter

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Re: Schierke 2000
« Antwort #231 am: Juli 31, 2012, 11:10:14 Vormittag »
Betrachten wir einmal das von Frau De Jong behandelte Thema Verunreinigungen durch Beschneiungswasser. Dass das in den Alpen vielerorts bis heute so vorkommt, bezweifle ich absolut nicht. Im Gegenteil: Es ist gut, dass das Thema von Frau De Jong publik gemacht wird. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Schlechtwetterspaziergang an Ostern in den 1990er Jahren unterhalb von Zermatt an der Zermatter Vispa entlang. Am unteren Dorfende von Zermatt befindet sich die Kläranlage der Ortes. Natürlich war ich davon ausgegangen, dass in einem Musterland wie der Schweiz und erst recht in einem finanzstarken Musterort wie Zermatt das Touristenabwasser tipptopp gereinigt ins Wassersystem entlassen wird. Das Gegenteil war der Fall. Es war klar zu riechen, dass die Zermatter Kläranlage unterdimensioniert und überlastet war. Die Zermatter Vispa stank fast bis hinunter nach Täsch nach Urin. Sofern talabwärts, beispielsweise in Saas-Grund oder für Grächen, daraus Wasser für Beschneizwecke entnommen wurde, musste genau der von Frau De Jong geschilderte Effekt der Wasser- und Bodenverschmutzung am Hang und damit der Trinkwasserverschmutzung eintreten.

Prüfen wir nun einmal, wie es mit Möglichkeiten der Verunreinigung von für Beschneiungszwecke zu entnehmendem Wasser in Braunlage und in Schierke aussieht. Dazu bedarf es lediglich des Aufrufs der Internetseite http://www.wahb.eu/625/Abwasser/Entsorgungsbereiche.html des Wasser- und Abwasserverbands Holtemme-Bode.

Das Abwassersystem des Wasser- und Abwasserverbands Holtemme-Bode, Quelle: http://www.wahb.eu


Braunlage und bodeaufwärts gelegene Siedlungen:

Regenwassernetz und Schmutzwassernetz sind in Braunlage getrennt. Schon in den 1990er Jahren musste sich Braunlage auf Druck des Landes Niedersachsen als einzige niedersächsische Gemeinde länderübergreifend dem sachsen-anhaltiner Wasser- und Abwasserverband Holtemme-Bode anschließen. Die damals noch fast neue Braunlager Kläranlage wurde in der Folge außer Betrieb genommen. Das Braunlager Abwasser gelangt über eine Druckleitung (mit sehr hohen Betriebskosten, über die sich die Braunlager ärgern) zum Pumpwerk Sorge und von dort zum Pumpwerk Tanne. Die im Pumpwerk Tanne gesammelten Abwässer werden zum Pumpwerk Königshütte und von dort zur Kläranlage Rübeland befördert. Informationen über Funktionsmängel dieses Abwassersystems habe ich nicht gefunden.

Die ehemalige Kläranlage von Braunlage befindet sich bodeabwärts südöstlich des Siedlungsgebiets an der Warmen Bode. Ich gehe davon aus, dass das Braunlager Abwasser dort vor dem Pumpvorgang auf die kilometerlange Strecke gesammelt und vorgereinigt wird. Die geplante Wasserentnahmestelle für Beschneiung befindet sich rund einen Kilometer bodeaufwärts in der Nähe der Wurmbergseilbahn. Bei Ausfall oder Überlastung der Braunlager Kläranlage kann es also nicht zu einer Verunreinigung des für Beschneiungszwecke zu entnehmenden Bodewassers kommen.

Oberhalb von Braunlage liegen die Siedlungen Torfhaus, Oderbrück und Königskrug. Das Abwasser von Torfhaus wird nach Oker geleitet und dort geklärt. Oderbrück hat eine eigene Kläranlage, die laut GZ-Presseinfo überdimensioniert ist. Wenn ich Satellitenbild und Pressefoto richtig interpretiere, steht sie westlich der B4 im Wald. Dann entwässert sie zum Oderteich, also nicht nach Braunlage. Zur Abwasserreinigung am Königskrug liegen mir keine Infos vor. Hier sollte man genauer hinschauen.

Schierke und Brocken:

Ich gehe davon aus, dass Wasser für Beschneiungszwecke in einem zukünftigen Alpinskigebiet Winterberg ungefähr in Höhe des Schierker Waldparkplatzes entnommen würde. Früher verfügte Schierke über eine eigene Kläranlage an der Bode, deren Standort nicht mehr direkt auszumachen ist. Laut Wasser- und Abwasserverband Holtemme-Bode hat Schierke heute keine eigene Kläranlage mehr und benötigt - offenbar wegen der reinen Gefälleableitung - nicht einmal einen eigenen Vorsammler (bitte um Korrektur, falls unrichtig). "Das Abwasser vom Brocken sowie von Schierke und Elend wird im Pumpwerk Elend gesammelt und zum Pumpwerk Königshütte übergeleitet", heißt es auf der Homepage des Betriebs. Von dort wird es zur Kläranlage Rübeland gefördert. Das Ortsentwicklungskonzept für Schierke erwähnt Sanierungsbedarf beim Abwassernetz am Barenberg, also bodeabwärts vom Waldparkplatz.

Fazit:

Abgesehen vom zu klärenden Punkt Königskrug ist eine Verunreinigung von in Braunlage und Schierke für Beschneiungszwecke aus der Warmen und der Kalten Bode zu entnehmendem Wasser nicht möglich. Nun mögen die Auftraggeber der Pressemeldung, welche die - eigentlich guten - Forschungsergebnisse von Carmen De Jong zum Thema Beschneiung, Trinkwasserverschmutzung und Wasserknappheit aus Hochsavoyen auf die Beschneiungsvorhaben an Wurmberg und Winterberg zu übertragen versucht, bitte öffentlich erklären, wo der situative Zusammenhang zwischen beidem bestehen soll. Ein Blick vorab auf Informationen über die Harzer Niederschlagssituation und auf die o.g. Internetseiten des Wasser- und Abwasserverbands hätte genügt, um die tatsächliche Situation transparent zu machen.
 
 
« Letzte Änderung: Juli 31, 2012, 01:05:10 Nachmittag von Harzwinter »

playjam

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Re: Schierke 2000
« Antwort #232 am: Juli 31, 2012, 12:20:13 Nachmittag »
Zur Verschmutzung durch Beschneiungswasser: In Deutschland und Österreich ist für technische Beschneiung Wasser in Trink- bzw. Bade-Wasser-Qualität vorgeschrieben. Eine Verwendung von Beschneiungszusätzen (z.B. abgetötete Keime) wie in Kanada oder den USA ist verboten.

Harzwinter

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Re: Schierke 2000
« Antwort #233 am: Juli 31, 2012, 01:12:25 Nachmittag »
Snomax heißt das Zeug. In der Schweiz darf es eingesetzt werden, was große Skigebiete mit guter Liquidität z.T. tatsächlich tun. [Edit: Laax, Brigels-Waltensburg, Arosa, Davos, Grindelwald, Crans-Montana, Zermatt, Morgins uvm.] Gut, dass das hier gar nicht erst zur Debatte steht.
« Letzte Änderung: Juli 31, 2012, 06:00:07 Nachmittag von Harzwinter »

manitou

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Re: Schierke 2000
« Antwort #234 am: Juli 31, 2012, 02:28:28 Nachmittag »
@harzwinter:
Chappeau! Mich beeindruckt immer wieder, was Du auf die Schnelle für Detailkenntnisse anführen kannst!!! Schade, dass ich nichts von der Veranstaltung in St. Andreasberg mitbekommen habe - ich wäre gern hingegangen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Knolle + Co. jedoch wenig Interesse an unserer Anwesenheit haben.

De Jong widerspricht sich einmal mehr, wenn sie sagt, dass durch die Beschneiung die Pisten sich nicht genügend regenerieren können... Hallo, wir haben doch Klimaerwärmung! Von daher müssten doch demnächst sogar Palmen auf den Pisten wachsen :-)) und die Pisten können sich mehr denn je regenerieren, was streng betrachtet schon wieder unnatürlich wäre. Die Beschneiung soll ja nur für den Harzer Skibetrieb ausgleichen, was die Klimaerwärmung an natürlicher Schneedecke und Wintersaison dahinrafft und es geht im Harz nicht darum die Skisaison bis Mai künstlich auszudehnen.

De Jong lässt in Ihren Alpenvergleichen auch die Klimaverhältnisse der unterschiedlichen Breitengraden außer Acht, wonach der Brocken  klimatisch einer Alpenhöhe von ca. 2200m entspricht. Man sieht es ja auch daran, dass die Baumgrenze auf dem Brocken bei 1100m liegt, in den Nordalpen hingegen bei 1800m. Von daher liegt der Wurmberg klimatisch im Vergleich zu den Alpen bei ca. 1500m. Demnach ist oberhalb von 700m eine Beschneiung zu rechtfertigen.
Was will die "Tante" also... außer pseudowissenschaftlich polemisieren, da halte ich doch mal proletarisch direkt dagegen!

Dieser [Anm.: mod hat zugeschlagen: Bitte so formulieren, dass sich alle willkommen fühlen] soll erst mal touristisch einen Ausgleich schaffen, wenn er den Wintersportausbau zugunsten eines Sternwartentourismus verhindern will. Heutzutage muss ja meist gegenüber dem Umweltschutz ein Flächenausgleich herbeigeführt werden, wenn landschaftlich sensible Gebiete zugebaut werden. Die Tourismusituation im Harz ist mindestens ebenso sensibel und wer den kränkelnden Tourismus zusätzlich beschneiden will, der muss Ausgleichsmaßnehmen schaffen. Gleiches recht für alle! Was nun... liebe Naturschützer!?

Um den Zuhörern überhaupt einen Begriff zu geben, worum es geht, stellte de Jong, die seit 2006 am Gebirgszentrum der Universität Savoyen in Frankreich forscht und zuvor an Einrichtungen in Straßburg, Bonn, Berlin und Potsdam tätig war, Bilder und Ergebnisse aus den Alpen vor, wobei sie ähnliche Höhen wie im Harz wählte. (Anm. Hier ist die Missachtung der Breitengrade belegt!)

Der Klimawandel beschere den Bergen eine höhere Temperatur als dem Flachland, führte de Jong aus. Die Temperaturen würden zudem im Winter mehr steigen als im Sommer. Die Saison verkürze sich, beginne später und ende früher. "Die Prognose: Wir haben kleine Zeitfenster für künstliche Beschneiung."

Die Pisten, auf denen beschneit würde, könnten sich im Sommer nicht erholen. (Anm. wie sollen sich Pisten nicht erholen können, wenn die Saison später starte und früher Ende ..?!)Als Beispiel zeigte sie Fotos von erodierten Flächen in den Alpen. (Anm. da möchte ich doch mal wissen, welche Extrembilder sie präsentiert hat) Ebenso verliere der Boden an Durchlässigkeit dort, wo Wasser-Speicherbecken angelegt würden. (Anm.: logisch, da ist ja auch ne Folie drunter, damit das Wasser nicht abhaut, doch die paar qm Speicherteich können nicht für Bodenerosion verantwortlich sein) "Will man das Sommertourismus-Potential aufgeben, um solche Flächen zu bekommen?", fragte sie. (Leute - der gesamte Sommertourismus ist im Harz umwelttechnisch gefährdet... so ein übertriebener Schwachsinn)
Künstliche Beschneiung sei abhängig von Temperaturen, Luftfeuchte und Windverhältnissen. Das Klima im Harz sei ungeeignet für Kunstschnee, es sei zu feucht. (Anm.: wäre es ungeeignet, würde der Investor das Risiko nicht eingehen. Vielmehr liegt die durchschn. Temp. lt. Klimadiagramm (Wikipedia) in den Monaten Dez-Feb. Im Ort Braunlage bei -2° auf dem Brocken bei-4°, d.h. auf dem Wurmberg oberhalb 700m liegt es irgendwo dazwischen. Wenn es zu Feucht ist, fällt i.d.R. Niederschlag und dann braucht auch nicht beschneit zu werden. Natürlich gibt es Tage mit zu hoher Luftfeuchte, doch das Problem des insgesamt feuchten Klimas hat eher das Sauerland, und die kriegen die Beschneiung ja auch hin...) Der Harz hat vielmehr von den Mittelgebirgen nach dem Erzgebirge so ziemlich die besten klimatischen Voraussetzungen für Beschneiung)
 Unter 1500 Metern werde in den Alpen zwar beschneit, doch neue Anlagen würden nicht mehr gebaut, betonte sie. (Gegenbeispiel: Hündle, Steibis, Gunzesried, Balderschwang, Sudelfeld. In Ö mag das stimmen, doch dort wird dafür umso mehr höher beschneit (bis 2300m). Die haben ja auch ganz andere topografische Möglichkeiten. In D darf oberhalb von 1800m Baumgrenze gar nicht beschneit werden, da haben die Naturschützer ja auch schon eingewirkt) Im Winter gebe es genug Wasser zum Beschneien, problematisch werde es immer am Beginn und am Ende der kalten Jahreszeit. (Da braucht kein Skigebiet Wasser. Am Beginn ist der Speicher voll, gefüllt wird er wieder in einer Tauwetterperiode und gegen Ende der Saison beschneit kein Skigebiet mehr, weil es sich nicht rechnet und gesetzlich meist auch verboten ist! ich kenne kein Mittelgebirgsskigebiet, welches im März noch beschneit. Fazit: Es ist schon alles zur Zufriedenheit geregelt und um den Speicher zu füllen hat man von April bis Nov. Zeit, da wird schon eine starke Regenperiode mit Wasserüberschuss zu finden sein) Bei der Entnahme aus Flüssen sei man schnell am Limit. Quellen könnten austrocknen, die Wasserqualität in den Speicherbecken sei schlecht. Und diese Flüssigkeit fließe nach der Schmelze des Kunstschnees in das Grundwasser.
[/quote]

Mir gehen diese Umweltfundis auf die Nerven (Anm.: ich bin ein grüner Realo), weil sie einfach sachúnkundige Menschen mit Ihren pseudowissenschaftlichen Fehlfakten verunsichern. Schade das Knolle nicht mit uns hier im Forum diskutiert.
« Letzte Änderung: August 01, 2012, 04:34:45 Nachmittag von playjam »

Harzwinter

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Re: Schierke 2000
« Antwort #235 am: Juli 31, 2012, 03:22:32 Nachmittag »
Ich kenne kein Mittelgebirgsskigebiet, welches im März noch beschneit.

Der Feldberg im Schwarzwald beschneit bei Bedarf noch im März, weil dort die Skisaison bis zum Ende der Osterferien dauert. Am Arber und in Oberwiesenthal am Fichtelberg mag ich es auch nicht ausschließen. Und wenn wir über die Grenzen schauen, muss man Vogesen-Skigebiete wie La Bresse sicherlich hinzufügen. Zum Riesengebirge habe ich keinen Infostand zur Beschneiungsdauer.

manitou

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Re: Schierke 2000
« Antwort #236 am: Juli 31, 2012, 05:09:47 Nachmittag »
Sorry, ich hab nur hinsichtlich D gedacht. Riesengebirge ist jedoch klimatisch nicht mit Mittelgebirgen in D vergleichbar.

Das mit dem Feldberg stimmt, doch wird die Beschneiung dort im März nur sehr dosiert eingesetzt. Immer öfters gibt es in der zweiten Märzhälfte klimatisch bedingt auf dem Feldberg ja so enorme Warmwettereinbrüche, dass eine teure Beschneiung schnell dahingeschmolzen ist. Ich denke mal, dass der Feldberg klimawandel bedingt langfristig gesehen keinen April-Skibetrieb mehr anbieten kann. Schließlich liegt er nah an der wärmsten und sonnenreichsten Wetterzone in D (Breisgau). 

Am Arber weiss ich, dass meistens nicht beschneit wird, da im März relativ wenig dort los ist. Der Arber versucht zwar meist bis Ostern offen zu halten (jenachdem wann Ostern liegt), doch wie mir der Tourismusdirektor in Bodenmais mitteilte, kommen nur wenige Gäste explizit für einen Skiurlaub. Die vorwiegend Nordhänge sind zudem so schneesicher, dass die Schneedecke meist den März auch ohne weitere Beschneiung durchsteht, wenn da im Feb 1,50m draufliegen. Wichtig ist eine gute Kunstschneegrundierung und die wird im Dez. geschaffen. Im März laufen Wochentags meist auch nur noch die EUB und der Sonnenlift, was für die schwache Frequentierung spricht.

Oberwiesenthal kann ich ebenfalls nicht genau sagen, doch was ich in den letzten Jahren so mitbekommen habe, versuchen die nicht mit "Gewalt" einen langen Skibetrieb zu sichern. Kommunen bzw. kommunale Skigebiete sind da eher übervorsichtig, weil die kein Geld haben. Auch dort wird es im März deutlich ruhiger und bis Ostern halten die immer seltener durch. Die haben langfristig gesehen gegen den deutlich schneesicheren Keilberg eh die schlechteren Karten. Fazit: März-Beschneiung lohnt wohl kaum...

In Winterberg darf zwar theoretisch bis 10. März beschneit werden, doch die wollen immer nur die Krokusferien NL durchstehen und dafür hört die Beschneiung Ende Feb. auf. Im März ist auch bei guten Schneebedingungen an WoE meist deutlich weniger los auf den Pisten, so dass sich dort die Beschneiung eher nicht rechnet und man drauf verzichtet.

Ich sehe das im Harz ähnlich wie im Sauerland, auch wenn der Harz klimatische Vorteile hat. Skitouristisch ist Ostern im Harz kein Thema, weshalb Beschneiung im März kein großes Thema sein wird (außer Ostern im März, was selten vorkommt - dann wird man wohl offen zu halten bemüht sein). Vorwiegend fahren im März also nur noch ein paar Enthusiasten incl. Playjam... Ich hab gehört, dass der sich ne Kanone anschaffen will um bis in seinen Fewo-Garten abfahren zu können - und Fubu könnte vielleicht noch jemand mit ner Kanone durch den Wald voraus "touren", doch das dürfte es auch im Harz an Beschneiungspotential gewesen sein... :-)).

Was ich damit sagen will ist, die Panikmache von de Jong ist haltlos und völlig überzogen...

Allerdings wird der Wurmberg wegen der vorwiegend Südhanglage einen deutlich höheren Kanoneneinsatz pro Pistenkilometer haben als andere Skigebiete. Die darf der Umweltschutz dem Wurmberg jedoch nicht anlasten (was er aber tut), wenn die Umweltfreaks die schneesicheren Nordhänge und den gr. Winterberg verweigern.

playjam

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Re: Schierke 2000
« Antwort #237 am: Juli 31, 2012, 05:44:09 Nachmittag »
[...]
Was will die "Tante" also... außer pseudowissenschaftlich polemisieren, da halte ich doch mal proletarisch direkt dagegen!
[...]

Ich kann verstehen, dass Du aufgrund der unakzeptablen hundert-tausendfach verbreiteten Beleidigung von Frau de Jong, Du und andere Gastgeber seien Lügner, kurz proletarisch dagegengehalten hast.  ;)

Ich freue mich umso mehr, dass die Diskussion hier im großen und ganzen trotz der verständlichen Verärgerung wesentlich sachlicher abläuft als seitens der Projektkritiker.

playjam

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Re: Schierke 2000
« Antwort #238 am: Juli 31, 2012, 10:27:39 Nachmittag »
Zwar nicht so aktuell wie die Artikel um Frau de Jong, dennoch interessant:

Neue Wernigeröder Zeitung 13/2012, S.5, http://www.juettners.de/
Zitat
Braunlage: "Ski-Schaukel ruiniert beide Seiten!"
Braunlage und Schierke sind uneins über die Pläne für Skigebiet. Vom Brockenstammtisch.

Nur die Erbsensuppe konnte eine noch hitzigere Diskussion um das Skigebiet an Winterberg und Wurmberg verhindern. Beim 78. Brockenstammtisch am 1. Juni im Goethesaal war der Zwiespalt der Politik im Bezug auf die komplizierten Großprojekte diesseits und jenseits der einstigen innerdeutschen Grenze so spürbar wie selten.

Sebsts wenn beide Seiten emsig bemüht sind, die Vorgänge kleinzureden, kann Landrat Michael Emrich seinen Unmut über Braunlages Bürgermeister Stefan Grote nicht länger zurückhalten: "Braunlage und Schierke stimmen sich bei ihren Planungen nicht ab", schimpft er in Richtung des Amtskollegen. "Immer wieder werden neue Argumente ins Feld geführt. Heute höre ich nun plötzlich zum ersten Mal von Ihnen, daß der Häberlinsweg als Wirtschaftsweg nicht mehr gequert werden kann!"

Was für Uneingeweihte wie eine harmlose Detailfrage anmuten mag, ist in Wirklichkeit ein Affront an die Schierker Seite. Ein Blick auf die Braunlager Pläne zur Entwicklung ihres Skigebiets rund um den Wurmberg verdeutlicht das nur zu eindeutig. Der Häberlinsweg wird von der Ostabfahrt und der Hexenrittabfahrt des Skihangs Braunlage gequert, am Nordhang dagegen, wo eine direkte Anbindung an das künftige Schierker Skigebiet möglich wäre, soll das plötzlich unmöglich sein. Der Häberlinsweg als Wirtschaftsweg muß frei bleiben und darf nicht mit einem Skihang überbaut werden, so die Ansage der Stadt Braunlage.

Einem länderübergreifenden gemeinsamen Skigebiet erteilt Stefan Grote im Gespräch mot der NWZ ohnehin wortgewandt eine Absage. "Ich wünsche mir für die Schierker Seite ein attraktives Skigebiet, das den Winterberg bis zum Loipenhaus einschließt. Doch sollten die Schierker die Finger von einer Kabinenbahn lassen." Die von Schierker Seite favorisierte  "Ski-Schaukel", eine Liftanbindung über den Winterberg bis zum Nordhang des Wurmbergs, die Ski-Abfahrten künftig gleichermaßen ermöglichen würde, lehnen die Braunlager ab. Aus wirtschaftlichen Gründen, wie Stefan Grote betont. Er formuliert das nüchtern: "Die Ski-Schaukel ruiniert beide Seiten. Egal, wie es gedreht wird. Selbst wenn die Wurmberg-Seilbahn den Zuschlag für den Bau und Betrieb nach Schierke bekäme, wäre sie nicht kostendeckend zu betreiben." Die Umsätze würden halbiert, wenn Schierke eine direkte Anbindung bekäme. Es gebe, so Grote, schlichtweg nicht genug Wintersporttouristen für beide Seiten.

Die Frage, ob perspektivisch ein zusammenhängendes oder zwei getrennte Skigebiete diesseits und jenseits des Wurmbergs existieren sollten, wird zur Überlebensfrage beider Orte. Bürgermeister Grote versucht eine Erklärung mittels Vergleich. "Es gibt auch Pläne für den Bau einer Seilbahn vom Torfhaus zum Brocken. Das würde die Harzer Schmalspurbahnen dann wirtschaftlich ebenso ruinieren wie uns eine zweite Seilbahn zum Wurmberg."

Nach Grotes Einschätzung liegt der Konflikt unterschwellig auch darin begründet, daß sich die Braunlager Lokalpolitiker zielgerichtet haben beraten lassen und zumindest in Sachen Alpinsport die Nase vorn haben. Während Braunlage sich auf seine Kernkompetenzen als Wintersportort konzentriere und die Skigebiete mittels einer namhaften Beraterfirma auf Vordermann bringen lasse, verzettele sich Schierke mit einem umfangreichen Ortsentwicklungskonzept, ohne eine Vision zu haben, was eigentlich die Touristen später nach Schierke locken soll, so Grote. 36 Nillionen in die Infrastruktur zu stecken, um danach auf den touristischen Aufschwung zu hoffen, reiche heute nicht mehr aus im harten Wettbewerb der klassischen Wintersportorte um Besucher und Übernachtungszahlen. Ohne das Skigebiet Winterberg sei Schierke erledigt. Es gehöre daher zuerst entwickelt. Selbst wenn die Schierker es nicht wahrhaben wollen. Ihr Schicksalsberg sei längst der Wurmberg, nicht der Brocken. Söhnke Streckel
« Letzte Änderung: August 01, 2012, 08:58:31 Vormittag von playjam »

Max

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Re: Schierke 2000
« Antwort #239 am: August 01, 2012, 07:26:14 Vormittag »
Nun man kann es drehen und wenden, wie man möchte, aber Herr Grote hat in allen Punkten absolut recht und scheint offensichtlich zu wissen, von was er spricht. Ein Schierker Skigebiet mit etlichen Kompromissen, was im Prinzip nur Schierke mit dem Wurmberg verknüpft, macht tatsächlich wenig Sinn, da es an Attraktivität mangelt und dementsprechend wahrscheinlich nur dafür sorgt, dass Braunlage weniger Gäste hätte und die Pisten am Wurmberg umso voller würden.

Vor allem aber hinsichtlich der aktuellen Investitionen in Schierke spricht er aus, was viele von uns sicherlich bereits denken — man baut doch auch keine Autobahn, wenn man nicht weiß, zu welchem Ziel sie eigentlich führen soll.