Werte Foristen,
da es in diesem Forum nun schon mehrfach - obgleich im Grunde völlig uninteressant - um meine Person (den „Sternenglotzer“, der mir als Nickname dann allerdings doch etwas zu negativ besetzt schien) ging und ich zudem schon mehrere Male im Leserforum der Goslarschen Zeitung dazu aufgefordert wurde, als Kritiker der Ausbaupläne am Wurmberg und Winterberg auch in diesem Forum mitzudiskutieren, habe ich mich zu einer Registrierung entschlossen. Um zur hier geäußerten Kritik an den Ausführungen von Prof. Dr. de Jong sowie von BUND/NABU ausführlich einzugehen, fehlt mir momentan leider die Zeit (ich hoffe, dass sich dies in zwei oder drei Wochen wieder ändert), weshalb ich mich zunächst einmal nur auf einen der hier wiederholt gemachten Vorwürfe konzentrieren möchte:
Mir geht diese reine Protesthaltung der Umweltschützer nicht nur hinsichtlich einiger Wintersportprojekte ziemlich auf den Geist. Der Naturschutz wird nicht selten schlicht als Vorwand verwendet, um komplett andere Interessen durchzusetzen. Herr Reinboth beispielsweise — der Frau de Jong hinzugezogen hat — kämpft bekanntermaßen dafür, dass es keinen Nachtskilauf geben sollte, damit er von St. Andreasberg aus auch weiterhin ohne Lichtverschmutzung jeden Abend die Sterne beobachten kann. Aus dem Ostharz hingegen gibt es nicht selten ähnliche Bedenken, um den Ausbau des Wurmbergs zumindest so lange zu verzögern, bis man selber eine Lösung gefunden hat ein eigenes Skigebiet mittels Fördergelder zu realisieren und alle haben gemeinsam, dass niemand von ihnen direkt im Oberharz lebt, geschweige denn sich ein Bild von der strukturellen Lage gemacht hat.
Hierzu kann ich nur sagen, dass der Grund, weshalb ich das Braunlager Projekt kritisch hinterfrage, weder meine Affinität für das Wernigeröder Parallelvorhaben ist (welches ich im Grunde ähnlich kritisch sehe) noch primär der Wunsch, die guten astronomischen Sichtbedingungen in Sankt Andreasberg zu erhalten (trotzdem schreibe ich gleich noch was dazu). Mir stört an beiden Vorhaben vielmehr, dass keine gemeinsame Planung geschweige denn eine gemeinsame Betrachtung der ökologischen Auswirkungen und Umweltrisiken erfolgt. Wer das Wurmberg-Areal kennt, dürfte sehr genau wissen, wie dicht die beiden Skigebiete im Falle eines Vollausbaus tatsächlich beieinander lägen. Beide Projekte zielen jedoch nicht nur wirtschaftlich auf die gleiche Zielgruppe ab, sondern greifen in das gleiche Ökosystem und den gleichen Wasserhaushalt ein, zudem ist die Entnahme von Wasser zum Zwecke der Beschneiung aus dem gleichen Fließgewässersystem vorgesehen. Weil allerdings zwischen beiden Projekten eine Landesgrenze verläuft und sich auf beiden Seiten mithin Befindlichkeiten und wirtschaftliche Befürchtungen breit gemacht haben, erfolgt weder eine gemeinsame wirtschaftliche und touristische Entwicklung des Gebietes noch eine länderübergreifende Betrachtung der ökologischen Auswirkungen beider Projekte in Kombination. Dies ist in eine in meinen Augen alles andere als befriedigende Situation, die meiner Einschätzung nach nur durch eine länderübergreifende UVP und die daraus schon zwangsweise resultierende gemeinsame Planung aufgelöst werden kann. Und das ist exakt die Lösung, für die ich an dieser und anderen Stellen heute und auch zukünftig werben werde.
Da ich über meine Tätigkeit im Vorstand der Sternwarte Sankt Andreasberg erstmalig in Kontakt mit dem Braunlager Wurmberg-Vorhaben gekommen bin, und im Namen der Sternwarte auch den Widerspruch gegen die geplante Beleuchtungsanlage (
http://www.sternwarte-sankt-andreasberg.de/wurmberg-braunlage.html) verfasst habe, sei an dieser Stelle dennoch etwas zum Sternenhimmel gesagt: Das durch die zunehmende nächtliche Beleuchtung (Werbung, Sykbeamer, Fassadenbeleuchtung etc. pp.) ständig verstärkte Phänomen der Lichtverschmutzung (eine gute Übersicht dieser Problematik findet sich auf der Webseite der Fachgruppe Dark Sky unter
http://www.lichtverschmutzung.de sowie im Wikipedia-Eintrag zu diesem Thema) hat in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass die Anzahl „natürlich dunkler Orte“ – also solcher Orte, an denen man den Sternenhimmel noch so sehen kann, wie es noch vor 100 Jahren vollkommen normal war – in ganz Europa sowie auch in anderen Teilen der Welt beständig zurückgegangen ist. In Deutschland finden sich derzeit neben der Region unmittelbar um Sankt Andreasberg, Sorge und Elend gerade noch sieben Gegenden (Nationalpark Eifel, Naturpark Terra.vita, Naturpark Westhavelland, Biosphärenreservat Rhön, Münsingen, Herzberg an der Schwarzen Elster und das Wendland), in denen noch wirklich gute Sichtbedingungen für Profi- und Hobby-Astronomen vorherrschen. Auf dieser Liste mit gerade einmal acht Einträgen befindet sich der Oberharz im Hinblick auf die messbaren Qualitätskriterien an dritter Stelle, ist also als eines der qualitativ besten astronomischen Beobachtungsgebiete Deutschlands zu werten:
http://www.lichtverschmutzung.de/seiten/sternenparks.phpAufgrund dieser besonderen Eignung bestünde die Möglichkeit, den Oberharz über die International Dark Sky Association zu einem sogenannten Dark Sky Park zu zertifizieren und diesen herausragenden Status damit auf internationaler Ebene festzuhalten. Derzeit gibt es in Deutschland noch keinen einzigen Dark Sky Park (auch wenn im Westhavelland sowie an der Schwarzen Elster entsprechende Bemühungen laufen, wie es sie bis vor kurzem auch im Harz gab), in Europa finden sich gerade einmal drei solcher Parks (in Ungarn und Großbritannien). Dies macht deutlich, dass der Harz in gewisser Weise eine Sonderstellung einnimmt, der ebenfalls ein Wert beizumessen ist, auch wenn sich die Umsätze im Bereich des Astrotourismus sicher nicht mit dem Skitourismus vergleichen lassen, siehe hierzu auch:
http://www.scienceblogs.de/frischer-wind/2010/11/wer-bestimmt-eigentlich-uber-die-vergabe-von-sternenparks.phpEin ideeller Wert kann aber auch dann erhaltenswert sein, wenn diese Erhaltung die volle Entfaltung einer finanziellen Wertschöpfung behindert. Man stelle sich einmal vor, unterhalb der Akropolis würde eine große Ader des rein hypothetischen und extrem wertvollen Materials Unobtanium (
http://de.wikipedia.org/wiki/Unobtanium) entdeckt, welche sich jedoch nur dann verwerten ließe, würde man die Akropolis sprengen. Obwohl den griechischen Staatsfinanzen die zusätzlichen Mittel sicher gut täten, würde in diesem hypothetischen Szenario vermutlich kaum jemand ernsthaft die Zerstörung der Akropolis erwägen, da jeder begreift, dass deren historischer, kultureller und ideeller Wert sich kaum in Geld aufwiegen ließe.
Auch die freie Sicht auf den Sternenhimmel hat jedoch einen solchen kulturellen und ideellen Wert, schließlich hat der Blick auf die Sterne über Jahrtausende hinweg Künstler, Philosophen, Propheten und Wissenschaftler inspiriert und geleitet. Wie traurig ist es da, dass wir diesen Anblick hierzulande in nur noch acht Gegenden erleben können, von denen jede einzelne schon durch ein einziges Projekt (wie etwa im Bereich des Skitourismus) diesen besonderen Status verlieren könnte? Wie viele dieser Gebiete wird es in zehn Jahren noch geben, wenn Eingriffen nicht dann und wann auch widersprochen wird? Zwar ist es richtig, dass die Beleuchtungsanlage am Wurmberg nur an bestimmten Tagen und – zunächst – nur während der Wintersaison in Betrieb wäre – am Urteil der IDA ändert dies jedoch nichts: Kommt das Projekt, ist jede Chance für den Oberharz auf eine Anerkennung als Dark Sky Park dahin. Dass kein Hobby-Astronom sich darüber freut, dass eine solche Möglichkeit wegbricht, ist sicher nachvollziehbar, insbesondere da seitens der Harzer Sternenfreunde schon zahllose ehrenamtliche Arbeitsstunden in die nun auf Eis gelegte Beantragung geflossen sind.
Ganz grundsätzlich stellt sich mir ohnehin die Frage, wie sinnvoll es ist, bei ausbleibendem Schneefall und in der Nacht auf künstlichem Schnee und bei künstlicher Beleuchtung Ski zu fahren. Exakt diese Form des Umgangs mit Energie und mit der Natur ist es schließlich, der wir die Notwendigkeit von Schneekanonen überhaupt erst zu verdanken haben. So etwas zu hinterfragen ist weder „unverantwortlich“ noch einseitig gegen touristische Interessen gerichtet, sondern in meinen Augen schlicht eine Frage des gesunden Menschenverstands. Im Wernigeröder Stadtrat wurde erst vor einigen Wochen die Anfrage eines SPDlers, warum man nicht – wie zu besten touristischen Hochzeiten Braunlages und Schierkes – eben einfach nur dann Ski fährt, wenn auch Schnee gefallen ist (und die Sonne scheint, wie ich als Astronom ergänzen möchte), geradezu empört zurückgewiesen. Solche Überlegungen entsprächen nicht mehr dem Anspruchsdenken heutiger Touristen und würden ein Skigebiet wirtschaftlich untragbar werden lassen. Bei allem Verständnis für hohe Ansprüche und das berechtigte Interesse, Geld zu verdienen (das ich als Unternehmer ja selbst teile) – aber mir stellt sich angesichts solcher Aussagen wirklich die Frage, ob uns da nicht vielleicht der gesellschaftliche Kompass verrutscht ist.
Vollkommen unabhängig von solchen Überlegungen ist – wie bereits eingangs geschrieben – der länderübergreifenden Auseinandersetzung mit der kombinierten Wirkung beider Projekte sowie der gemeinsamen wirtschaftlichen Entwicklung des Wurmberg-Areals auf jeden Fall eine größere Priorität einzuräumen. Wenn die von uns unter anderem durch die Einladung von Prof. Dr. de Jong angestoßene Diskussion am Ende wenigstens dazu führt, dass eine länderübergreifende UVP durchgeführt wird, wäre ich eigentlich schon mal ganz zufrieden…
Mit besten Grüßen in die Runde