Ruhpolding ... was ungefähr habt Ihr dort vor? Langlaufen oder Alpinski fahren lernen zum Beispiel? Dafür wäre der Ort geeignet. Wenn Schnee liegt, was dort mittlerweile - wie in vielen anderen Orten Oberbayerns auf 600-700 m Seehöhe auch - nicht mehr selbstverständlich ist. Ruhpolding habe ich über die Jahre als Tagesziel für eine eine Oberbayern-Skisafari beobachtet. Geklappt hat es dort bislang noch nicht. Aber wir waren eine Woche an Pfingsten 2020 als Ersatz für eine coronabedingt ausgefallene Gardasee-Fahrt dort.
Fangen wir erstmal damit an, welche Wintersport-Infrastruktur es in Ruhpolding bis in die späten 1980er / frühen 1990er Jahre gab, um die heutige Situation zu verstehen. Der
alte Pistenplan von ca. 1980 verdeutlicht:
Ruhpolding hatte mehrere lokale Skigebiete. Das alpinste am Rauschberg mit der Pendelbahn mit 800 Höhenmetern, zwei kurzen Liften oben am Berg und der Talabfahrt durch die Rossgasse, oben steil, unten eher Ziehweg. Am Fuß des Berges befanden sich zwei lifterschlossene, kurze Übungshänge. Dann das Gebiet am bewaldeten Unternberg, erschlossen unten mit zwei Schleppliften und oben mit Doppelsesselbahn und Südhangschlepplift. Ferner zwei Schlepplifte und ein Sessellift an der per Pkw erreichbaren Blickneralm und Steinbergalm, die den Anschluss ans Skigebiet Hochfelln ermöglichten. Und im Tal die Westerberg-Übungslifte und die Maiergschwendt-Lifte sowie die Liftanlagen in Bärngeschwendt und Stockreit.
Vieles davon dokumentiert das
liebevolle Werbevideo der Kurverwaltung Ruhpolding aus den 1980er Jahren.
Danach kamen die schneearmen Winter, die Klimaerwärmung und die allmähliche Abwanderung der Alpinskifahrer in die Großskigebiete. Was übrig geblieben ist,
zeigt ernüchternd das Ruhpoldinger Winterpanorama 2020 - kaum etwas. Der Skibetrieb am Rauschberg ist längst Geschichte, die Liftanlagen am Berg demontiert. Skifahrer werden von der
Rauschbergbahn noch transportiert - wer mag, kann bei viel Schnee bis ins Tal die ehemalige Piste als Freerider unter die Kanten nehmen (GPS-Track mitnehmen!). Am Unternberg sieht es nur wenig besser aus. Die
beiden Schlepplifte im Tal werden bei ausreichender Schneelage von einem Verein weiter betrieben, der sich das Weitermachen alle paar Jahre neu überlegt. Oben an der
Doppelsesselbahn wurde der Skibetrieb auf präparierter Piste eingestellt; bei guter Schneelage kann man hier noch freeriden. Ansonsten dient er als Zubringer zur
Rodelbahn. An den Südhanglift am Berg erinnert nur noch eine Schneise. Auch die Liftanlagen an
Blickneralm und
Steinbergalm in Richtung Hochfelln-Gebiet gibt es längst nicht mehr. Im Tal haben die
Übungslifte Westerberg wundersamerweise überlebt - mit ein paar Schneekanonen, kleinem Funpark, Kinderbespaßung und Flutlichtbetrieb. Die
Maiergschwendt-Lifte sind dagegen heute nur noch ein gedoppelter Seillift. Alle anderen Tallifte sind weg.
Ruhpolding hat seine gute Zeit als alpiner Wintersportplatz hinter sich. Der Ort ist eher bieder und ein wenig in die Jahre gekommen, es ist nicht viel los. Das hat aber auch seine angenehmen Seiten. In Ruhpolding nervt niemand, kein besoffener Pöbel grölt abends auf den Straßen herum.
Im Winter geht man in Ruhpolding inzwischen vorwiegend
auf 130 km Loipen langlaufen, winter- oder schneeschuhwandern. Oder in die
Eislaufhalle oder ins
Erlebnisbad Vita Alpina. Der
jährliche Biathlon-Event geht auch komplett ohne Naturschnee über die Bühne. Hauptsaison ist jetzt im Sommer zum Bergwandern und Mountainbiken. Und am nördlichen Ortsausgang ist die Sommerrodelbahn
Chiemgau-Coaster nun die Attraktion - übrigens auch im Winter.
Als Alpinskifahrer kann man von Ruhpolding aus per Pkw Tagesausflüge in die benachbarten Skigebiete unternehmen. In rund 20 Minuten ist man in Reit im Winkl am Parkplatz Seegatterl, wo die Gondelbahn auf die
Winklmoosalm startet. Das Skigebiet Winklmoosalm-Steinplatte besteht aus dem arg leichten Teil auf bayerischer und dem interessanteren auf Salzburger und Tiroler Seite. Vom Gipfel der Steinplatte gibt's genialen Blick auf die Dreitausender der Tauernkette; etwas tiefer befindet sich eine
Aussichtsplattform. Nicht weiter ist es nach Kössen gleich hinter der Tiroler Grenze mit seinem schönen
Tagesskigebiet am Unterberghorn. Für einen halben Tag lohnt sich die Fahrt über Siegsdorf nach Bergen und der Besuch des kleinen
Höhenskigebiets am Hochfelln mit Pendelbahn, zwei Schleppliften und toller Aussicht ... wenn die Schneelage Skibetrieb zulässt. Die Talabfahrt von der Mittelstation Hochfelln in ein abgelegenes Seitental wird schneemangelbedingt nicht mehr unterhalten. Etwas länger, aber lohnend ist die Anfahrt für einen Tagesbesuch in Berchtesgaden mit seinem
Skigebiet am Jenner, der seit kurzem wieder von einer nagelneuen Gondelbahn erschlossen wird. Im Beschäftigungsbereich laufen drei Sesselbahnen. Verkannt wird die schöne, beschneite Talabfahrt, die man mehrfach befahren sollte. Und wenn man schon mal da ist, sollte man sich auch im Winter über ca. 80 steile, vereiste Höhenmeter Fußpfad auf den Jennergipfel quälen (Wechselschuhe im Rucksack mitnehmen!) - der unvergessliche
Tiefblick auf den Königssee mit dem Watzmann gegenüber ist jeden gekeuchten Meter wert. Aus dem Skigebiet sieht man den See nicht. Berchtesgaden hat noch
weitere kleine Höhenskigebiete am
Götschen, Hochschwarzeck, Rossfeld, Zinken und Obersalzberg.
Damit bleibt mir nur noch, eine schöne Zeit in Ruhpolding zu wünschen. Hoffentlich mit Schnee.